Im Oktober öffnet der erste Coworking-Space mit Kinderbetreuung in Zürich seine Türen. Das soll Eltern und Firmen die Vereinbarung von Beruf und Familie erleichtern.
Vier arbeitende Mütter – ein Problem: Es steht ein unvorhergesehener Termin an oder ein Auftrag, der dringend fertig werden muss, aber niemand ist da, der auf die Kinder aufpassen kann. Sarah Steiner, Julia Bochanneck, Diana Wick und Klara Zürcher haben beschlossen, selber eine Lösung für dieses Dilemma ins Leben zu rufen. Im Oktober eröffnen sie in Zürich Albisrieden «Tadah», den in dieser Grössenordnung schweizweit ersten Coworking-Space mit Kinderbetreuung.
Home-Office sei mit Kleinkindern meist nicht praktikabel. Man werde weder dem Job noch dem Kind gerecht, sagt Sarah Steiner. Die ausgebildete Journalistin arbeitete vor Tadah unter anderem bei der Fifa. «Gehen die Kinder in die Kita, stresst man zuerst dorthin, dann zur Arbeit und abends wieder zurück – im sowieso schon schwierigen Spagat zwischen Arbeit und Familie muss man sich nicht noch zusätzlich weh tun.» Es brauche mehr Flexibilität und neue Arbeitsmodelle. Von 8 bis 17 Uhr im Büro anwesend zu sein, entspreche nicht mehr dem Zeitgeist.
Bei Tadah werden die Väter und Mütter im Obergeschoss konzentriert arbeiten, während ihre Kinder zwei Stockwerke tiefer durch den Spielplatz tollen und professionell betreut werden. Die Bring- und Holzeiten werden fliessend sein, damit man auch mal früher Feierabend machen und mit den Kindern noch ein Glacé essen gehen kann, wie Steiner sagt.
«Manchmal wünschte ich, dass es unseren Coworking-Space bereits gibt», sagt Julia Bochanneck.
Die Designerin sitzt neben Sarah Steiner und hebt ihre sechs Monate alte Tochter aus dem Kinderwagen. Die vier Gründerinnen arbeiteten in der Kommunikations- und Werbebranche und gründeten im Frühling 2017 zusammen Tadah, ein Online-Magazin für Mütter. Irgendwann wollten sie nicht mehr nur über Vereinbarkeit schreiben, sondern diese auch leben. Dass sie nicht alleine sind mit dem Bedürfnis nach einem Coworking-Space mit Kinderbetreuung zeigte eine Umfrage, die sie über das Online-Magazin durchführten: 400 Eltern nahmen teil und bestärkten die Frauen darin, dass ihre Idee Zukunft hat.
Unterdessen haben alle vier Gründerinnen ihre Brotjobs gekündigt und arbeiten nur noch für Tadah, je zu 60 Prozent. Die Finanzierung des Coworking-Space steht. Einen hohen sechsstelligen Betrag haben Investoren beigesteuert, 70 000 Franken kamen über ein Crowdfunding zusammen. «Es brauchte Mut, den Schritt zu wagen, aber wir glauben, dass die Idee einschlagen wird, und wir wissen, dass wir gut zusammenarbeiten», sagt Sarah Steiner. «Als gestandene Berufsfrauen mit Familien sind wir nicht die typischen Start-up-Gründerinnen, aber gerade als Mütter sind wir pragmatisch, effizient und entscheidungsfreudig», ergänzt Julia Bochanneck.
Vor einem Jahr wurde die Idee geboren, der Businessplan war in vier Monaten geschrieben, im Frühling lief das Crowdfunding. Ab Mitte Juli wollen die Gründerinnen Voranmeldungen für den Coworking-Space entgegennehmen. Ein 20-Prozent-Monatsabo inklusive Betreuung für ein Kind kostet 595 Franken. Für weitere Kinder kommen zusätzliche Kosten hinzu. Die meisten Plätze muss man reservieren, aber auch Drop-in soll möglich sein.
Das Tadah-Angebot umfasst auch Firmenabos, wobei sich mehrere Mitarbeiter den Coworking-Platz teilen können. «In dem sie ihren Mitarbeitenden diese Flexibilität anbieten, können sich die Firmen hervorheben im Kampf um die besten Talente», sagt Julia Bochanneck. Ihr Coworking-Space sei auch eine ideale Fortsetzung nach dem Mutterschaftsurlaub. Statt nach 16 Wochen wieder ins Büro zu müssen, könne eine stillende Mutter in der Nähe ihres Kindes bleiben und dennoch arbeiten.
Auch viele Väter würden gerne aktiver am Familienalltag teilnehmen. Auch sie erhalten so die Möglichkeit mit ihrem Kind zur Arbeit zu gehen und mit ihm gemeinsam Mittag zu essen. «Deshalb machen wir einen Coworking-
Space explizit für Eltern, nicht nur Mütter», sagt Sarah Steiner. Selbst für Kinder sei es entspannter, wenn die Eltern morgens zu ihnen sagen könnten: «Heute gehen wir zusammen arbeiten.»
Dass die Zusammensetzung der Kindergruppe immer wieder anders sei, sei kein Problem, sagt Julia Bochanneck, weil die Betreuungspersonen eine Konstante seien und durch Springer unterstützt werden. «Sollte ein Problem mit dem Kind auftauchen, sind die Eltern ja schnell bei ihnen.»
Starten werden die Frauen mit 30 Arbeits- und 30 Betreuungsplätzen in Albisrieden. «Zuerst wollen wir den Hauptstandort perfektionieren und dann kopieren wir, was funktioniert», sagt Sarah Steiner. Denn weil die Nachfrage so gross ist, denken sie bereits an weitere Standorte, auch ausserhalb von Zürich. Die vier Mütter wollen «so viele Powerhäuser für Eltern wie möglich schaffen, um endlich einen weiteren Schritt in Richtung bessere Vereinbarkeit gehen».