Soeben sind die Zürcher Kommunalwahlen grossteils vorbei – schon rücken die kantonalen Wahlen im Februar 2023 in Reichweite. Für Spannung sorgt die momentane Siegerpartei GLP.
Die Wahlen in den Zürcher Städten vom vergangenen Wochenende und vom Februar zeigen einen Trend: Die ökologischen Parteien und die Mitte legen zu, die grossen Polparteien SP und SVP verlieren. Bei der SP sind es vor allem Parlamentssitze, die verloren gehen. Bei der SVP auch Regierungssitze. So ist die SVP in Uster, Wädenswil und Adliswil aus dem Stadtrat geflogen; auch in Dübendorf, Wetzikon und Bülach verlor sie je einen Stadtratssitz. Gewinner sind in erster Linie die Grünliberalen, die Mitte und die Grünen, während die FDP mehr oder weniger stagniert.
Im Vergleich zu den Wahlen vor vier Jahren gewann die GLP heuer in den 13 Zürcher Stadtparlamenten insgesamt 18 Sitze, die Mitte deren 15 und die Grünen 13 Sitze. Wobei bei der Mitte nebst der Abkehr vom christlich angehauchten Namen CVP auch die Fusion mit der BDP mitspielte. Die SP büsste alles in allem 18 Parlamentssitze ein, die SVP deren 10.
Das zeigt: Die grüne Welle dauert an, wobei die GLP deutlich besser abschneidet als die Grünen. Unter Einbezug der umgetauften Partei die Mitte lässt sich von einem grünmittigen Trend sprechen. Die Traditionsparteien hingegen sind unter Druck, vor allem SVP und SP. Und ob die FDP nächstes Jahr die Schmach eines Regierungsratssitzverlusts an die Grünen von 2019 wettmachen kann, ist fraglich.
Wie reagieren die angeschlagenen Traditionsparteien? Anhaltspunkte bieten die Pläne für die Regierungsratswahlen im kommenden Februar: Die SVP setzt auf ihr bewährtes Duo, Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli und Finanzdirektor Ernst Stocker. Dies, obwohl der heute 67-jährige Stocker eigentlich schon mit dem Ruhestand liebäugelte. Das Minimalziel ist offensichtlich Besitzstandswahrung, Machterhalt – bis vielleicht wieder bessere Zeiten für die SVP kommen.
Die SP startet eine weibliche Offensive: Neben der Bisherigen Jacqueline Fehr (58) schickt sie die Nationalrätin und Kantonalpartei-Co-Präsidentin Priska Seiler Graf ins Rennen, worüber der Parteitag diesen Samstag entscheiden wird. Andere Kandidaten hatten sich nicht gemeldet. Auf Seiler Graf wartet eine heikle Aufgabe: Sie will nach dem Parteiaustritt von Mario Fehr dafür sorgen, dass die SP weiterhin zu zweit im Regierungsrat vertreten ist.
Sicherheitsdirektor Mario Fehr (63) reagierte bislang ausweichend auf die Frage, ob er nochmals antrete. Dass die GLP gleich nach seinem Austritt aus der SP erklärt hatte, sie werde ihn nicht aufnehmen, hatte ihn überrascht. Ob er nun bereit für einen riskanten Sololauf ist, bleibt abzuwarten. Wählbar wäre er zwar bis weit ins bürgerliche Lager, das zeigten seine früheren Glanzresultate bei Regierungsratswahlen. Doch ohne Unterstützung aus dem angestammten SP-Lager könnte es schwierig werden.
Zumal auch die momentane Siegerpartei GLP nichts unversucht lassen wird, um endlich einen Regierungsratssitz zu holen. Dass sie antritt, steht fest. Noch offen ist, mit wem. Der Entscheid soll im Frühsommer fallen, wie aus der kantonalen GLP-Leitung verlautet. Im Gespräch sind etwa die von der SP zur GLP übergelaufene frühere Nationalrätin Chantal Galladé, der aktuelle Kantonsratspräsident Benno Scherrer sowie die Nationalrätinnen Tiana Moser und Corina Gredig, um nur einige Beispiele zu nennen.
Ihnen allen wäre es zuzutrauen, nicht nur den Wahlkampf, sondern auch die künftige Kantonsregierung aufzumischen. Vor allem, wenn alle bisherigen Regierungsratsmitglieder wieder antreten. Wer frischen Wind in das Gremium bringen will, hat dann primär die grünliberale Option.
Oder die freisinnige: Die FDP will ihren zweiten Regierungsratssitz mit Avenir-Suisse-Chef Peter Grünenfelder zurückerobern. Der «neoliberale Quereinsteiger», wie ihn der «Tages-Anzeiger» bezeichnete, tritt zusammen mit der bisherigen FDP-Regierungsrätin Carmen Walker Späh (64) an. Fragt sich bloss, wen er aus der Regierung verdrängen sollte.
Baudirektor Martin Neukom (Grüne) konnte mit dem Ja zum kantonalen Energiegesetz in der laufenden Legislatur einen grossen Erfolg erzielen. Auch Bildungsdirektorin Silvia Steiner (die Mitte) scheint nach den jüngsten Wahlerfolgen ihrer Partei relativ fest im Sattel zu sitzen. Eine herbe Niederlage musste hingegen ausgerechnet Grünenfelders Parteikollegin Walker Späh erfahren, als das Stimmvolk das Projekt Rosengartentunnel bachab schickte. Die heutige Volkswirtschaftsdirektorin hatte jahrelang dafür gekämpft.