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Das Programm für Qualität in Multikulti-Schulen wird 20 Jahre alt. Nun entfaltet es doch noch Wirksamkeit.
In Dietikon beträgt der Anteil Schüler, die Deutsch nicht als Muttersprache gelernt haben, gut 79 Prozent. Darum gewährt der Kanton allen Dietiker Schulen zusätzliche Fördermassnahmen. Und will so die Qualität in multikulturellen Schulen (abgekürzt «Quims») verbessern. Die Wirksamkeit in Bezug auf die Fähigkeiten der Schüler war lange umstritten: 2012 konnte eine 223-seitige Studie keinen Zusammenhang zwischen Quims-Förderung und Lernfortschritten der Quims-Schüler nachweisen.
Der letzte Bericht, veröffentlicht 2015, kam dann zum Schluss, dass die Ziele des Programms erreicht werden. Dieser Grundtenor hatte sich aus einer Befragung von Lehrpersonen ergeben. Die durchwegs positive Bewertung könnte damit zusammenhängen, dass der Kanton ab 2014 die inhaltliche Strategie änderte: Bis dahin stand nämlich die Leseförderung im Vordergrund; sie wurde durch eine verstärkte Schreibförderung abgelöst. Welchen Erfolg insbesondere diese Schreibförderung zeitigt, wird der Kanton Mitte 2017 erneut überprüfen. Dannzumal endet die Fokussierung auf die Schreibförderung. Schon jetzt kann das Volksschulamt aber einen Erfolg ausweisen: «Der Anteil Quims-Schüler, die in die Sekundarstufe A übertreten oder später eine Berufslehre beginnen, hat sich in den letzten Jahren erhöht», sagt auf Anfrage der stellvertretende Amtschef, Urs Meier.
Fantasie ist nur die halbe Miete
Wie sich die Quims-Förderung im Schulalltag auswirkt, zeigte die Dietiker Schule Steinmürli am Donnerstagabend. Die Primarschulklassen 6a, 6b und 6c, in denen bloss eine Schülerin Deutsch als Muttersprache spricht, präsentierten Bilderbücher, die sie seit letztem Sommer in 20 Doppellektionen erstellt haben. Schöne Märchen sind entstanden: So wird ein Bär glücklich, weil er zum Mond reist. Und dann gibt es noch den Hund, der ein Hühnerküken aufzieht.
«Die Ideenvielfalt und die Fantasie der Schüler hat sich merklich vergrössert», sagt die Heilpädagogin Daniela Gallo. Seit zwei Jahren ist sie im «Steinmürli» für die Umsetzung der Quims-Förderung zuständig. Doch eine grosse Fantasie ist nur die halbe Miete: Kinder verzweifeln oft, wenn sie eine Idee haben, diese aber weder bildlich noch schriftlich zu Papier bringen können. Mit dem Bilderbuch-Projekt wollte Gallo das ändern: «Wenn Kinder eine Geschichte entwerfen, schreiben und bebildern, lernen sie, sich besser auszudrücken», sagt sie. Nebenbei haben die Schüler ihr Deutsch verbessert. «Mehrere Deutschlehrpersonen sagten mir, dass die Kinder bessere Aufsätze schreiben», sagt Gallo.
Zum Ende des Projekts stimmten die Schüler ab, welche 12 der 36 Bilderbücher sie den Eltern vorstellen wollen. Die Eltern, alles mit Migrationshintergrund, erschienen zahlreich. Was wie eine Randnotiz erscheint, ist ein Stück weit auch den Quims-Massnahmen zu verdanken: Diese haben nämlich auch zum Ziel, den Draht zwischen Eltern und Schule zu verbessern. Zu oft gab es in der Vergangenheit Eltern, die sich zu wenig für die Arbeit der Schule und die Leistung ihrer Kinder interessierten.
Im Hinblick auf die Zukunft wünscht sich die Heilpädagogin Daniela Gallo, dass die Förderung der Quims-Schüler sich weiterhin auf das Schreiben konzentriert. «Wenn wir wollen, dass sich die Kinder ausdrücken können, sollten wir die Förderung so beibehalten oder sogar verstärken», so Gallo. Doch das letzte Wort hat der Kanton. Urs Meier vom Volksschulamt sagt: «Die Arbeit mit dem Schwerpunkt Schreiben ist aus unserer Sicht von hoher Relevanz und in den Schulen gut unterwegs. Das Volksschulamt wird mit den Schulen und Gemeinden sprechen, um die Schwerpunkte für die Zeit nach 2017 zu bestimmen.»
Die Meinung der Limmattaler Verantwortlichen sollte dabei Gewicht haben: Die Verteilung der 4,4 Millionen Franken, die der Kanton jährlich für die Quims-Förderung ausgibt, bemisst sich nach dem Ausländer- und Fremdsprachigenanteil an den Schulen. Dieser Anteil ist zum Beispiel in Dietikon und Schlieren verhältnismässig hoch. Unabhängig von der Quims-Förderung gewährt der Kanton manchen Gemeinden zusätzliche Lehrerpensen, um benachteiligte Schüler zu fördern und zu integrieren. Diese Stellenerhöhungen richten sich nach dem Sozialindex. Der Index setzt sich zusammen aus den Ausländer-, Sozialhilfebezüger- und Tieflöhneranteilen in der Bevölkerung. Einzig Zürich-Schwamendingen hat einen höheren Sozialindex als Dietikon. Schlieren folgt auf dem fünften Platz, Oberengstringen auf dem siebten.
Während in Dietikon jede Schule eine Quims-Schule ist, werden kantonsweit 110 von 500 Schulen als Quims-Schulen gefördert. 35 000 respektive ein Viertel aller Schüler besuchen eine Quims-Schule.
Quims wurde 1996 als Pilotprojekt eingeführt. Inzwischen melden sich beim Volksschulamt andere Kantone und auch deutsche Städte wie Berlin und Hamburg, die vom Zürcher Quims-Modell lernen wollen.