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Limmattal
Das vom Limmattaler Hauseigentümerverband organisierte Podium beschäftigte sich mit dem veränderten Verhalten des Stimmbürgers und wie es dazu kommen konnte. Mit dabei waren unter anderem Hans Egloff oder Balthasar Glättli.
Die Abzockerinitiative, die Volksinitiative «1:12 - für gerechte Löhne» oder Vorstösse für günstigeren Wohnraum. Sie alle sind Beispiele dafür, dass sich das Verhalten der Stimmbürger in den letzten Jahren verändert hat. Doch woher kommt dieser Wandel? Am Dienstagabend gingen dieser Frage Hans-Ulrich Bigler (Direktor Gewerbeverband Schweiz), Thomas Weibel (Nationalrat GLP), Balthasar Glättli (Nationalrat Grüne) und Hans Egloff (Nationalrat SVP und Präsident HEV Schweiz) nach. Geleitet und moderiert wurde das vom Hauseigentümerverband Limmattal organisierte Podium im Dietiker Stadthaus von Jürg Krebs (Chefredaktor Limmattaler Zeitung).
Auf Gerechtigkeit sensibilisiert
Unbestritten für alle Beteiligten ist, dass in der Schweiz ein Wertewandel stattgefunden hat, der sich nun in den aktuellen Vorlagen wie der «1:12-Initiative» oder der Erbschaftssteuer-Reform äussert. Fälle wie jener vom grosszügig honorierten Novartis-Chef Vasella führten dazu, dass die Bevölkerung sensibilisierter reagiert, wenn es um die Frage der wirtschaftlichen Gerechtigkeit geht.
Glättli vermutet, dass alte Werte wie Mässigung zurückkehren und erneut ihre Bedeutung finden. «Die Bevölkerung fragt sich, ob es denn möglich ist, dass gewisse Leute so viel verdienen und ob das gerecht ist.» Weibel sprach sich gegen die «1:12-Initiative» aus, ist aber der Meinung, dass sie ein wichtiges Zeichen setzt. «Ich bin froh um die Vorlage, weil sie zeigt, dass es in der Vergangenheit Auswüchse gegeben hat», sagte er.
Bigler ist der Meinung, dass die auf dem Tisch liegenden Vorlagen das Erfolgsmodell der Schweiz frontal angreifen. «Uns geht es gut, unsere Wirtschaft wächst. Aber: Wir sägen den Ast ab, auf dem wir sitzen», sagte er. «Es scheint so, als würde Erfolg zu Übermut und Verderben führen.» Ähnliche Töne schlug auch Egloff an. «Der Staat muss keine Regelung einer Lohnobergrenze vornehmen.»
Egoismus über alle Generationen
Glättli gab daraufhin zu bedenken, dass obwohl die Schweizer Wirtschaft wächst, die Bevölkerung Ängste verspürt. Weibel schreibt dieses Brodeln in der Gesellschaft der veränderten Anspruchshaltung der Schweizer zu. «Ich beobachte heute einen Egoismus über alle Generationen hinweg. Früher war man solidarischer eingestellt. Diese neue Haltung führt zu einem Schwarz-Weiss-Denken in der Politik», so Weibel.
Glättli stimmte ihm in diesem Punkt zu, fügt jedoch einen zweiten Aspekt an: «Auch in der Realität gab es einen Wandel. In der Schweiz ist ein überbordender Kapitalismus gang und gäbe geworden. Das macht den Menschen Angst.» Bigler zeichnete dazu den Kompromiss zweier im Konflikt stehender Interessen auf. «Die Solidarität in Firmen ist zunehmend dem Leistungsdruck gewichen. Vor allem grössere Unternehmen kamen unter einen globalen Druck, auf dem grossen Markt bestehen zu müssen», sagt er.
Verantwortung übernehmen
Weibel warf daraufhin die Frage in den Raum, wie wirtschaftlich erfolgreich Unternehmen heute überhaupt noch sein dürfen, damit sie nicht als nur leistungsorientiert gelten. Bigler und Glättli gaben dazu dieselbe Stossrichtung vor. Sie waren sich einig, dass ein Unternehmen nur dann funktionieren kann, wenn Wert auf das gesellschaftliche Umfeld und die eigenen Mitarbeiter gelegt wird. «Was wir brauchen, ist ein neues Werteverständnis. Wir müssen wieder mehr Verantwortung übernehmen für die Gesellschaft. Nur der sozialpartnerschaftliche Ansatz führt zum Erfolg», so Bigler.
Diskutiert wurde auch die Frage, ob reich sein heute ein Makel ist. Egloff empfindet es als unfair, dass denjenigen Geld genommen wird, die in ihrem Leben mehr verdient haben. «Die Erbschaftssteuer-Reform ist für mich daher unzulässig, weil der bestraft wird, der reich stirbt», so Egloff. Für Weibel ist die Vorlage kein Ausdruck der Neidkultur, sondern viel mehr eine der Unbeholfenheit. Er sagt: «Man hat keinen Mut, andere Steuern zu erhöhen, deshalb wird das Erbe angegriffen.»
Bigler spricht sich ebenfalls gegen die Vorlage aus: «Die Erbschaftssteuer-Reform behindert die kleinen und mittleren Unternehmen klar in der Nachfolgeproblematik.» Glättli warb als Einziger in der Runde für die Reform. «Es gibt keine fairere und liberalere Steuer», sagte er.
Ein Politiker muss authentisch sein
So unterschiedlich die Begründungen für den Wertewandel in der Schweiz und die Meinungen über die daraus resultierenden Vorlagen ausfielen: In einem Punkt waren sich die Podiumsteilnehmer einig. Als öffentliche Person in Politik und Wirtschaft sei es gerade in dieser Zeit wichtig, nicht dem Zeitgeist nachzugeben, sondern für seine Meinung einzustehen. Egloff sagte dazu: «Ich stehe trotz all dieser Vorlagen zu meiner liberalen Denkweise. Seine Werte sollte man immer vertreten.»