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Region (LiZ)
Limmattal
Auf die mehrfache Kritik am strikten Haftregime reagiert die kantonale Justizdirektion mit einer Massnahme, die den Gruppenvollzug ermöglichen soll. Getestet wird der neue Ansatz im modernsten Gefängnis des Kantons: in Dietikon.
Das Regime der Untersuchungshaft im Kanton Zürich gilt als eines der strengsten der Schweiz. Die Haftbedingungen sind strikter als im eigentlichen Strafvollzug. Mehrfach schon wurden sie von Organisationen wie der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter sowie vom Schweizer Kompetenzzentrum für Menschenrechte kritisiert. In Berichten machen diese Organisationen deutlich, dass hinsichtlich der Unschuldsvermutung während der Untersuchungshaft ein Gruppenvollzug angemessen wäre. Als Reaktion darauf hat die zuständige Regierungsrätin Jacqueline Fehr (SP) eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe Anfang 2016 damit beauftragt, ein neues Modell für die Untersuchungshaft zu erarbeiten. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, soll das Modell ab nächstem Sommer im Gefängnis Limmattal in Dietikon getestet werden.
Häftlinge in Untersuchungshaft befinden sich derzeit 23 Stunden am Tag in Einzelhaft. Möglichkeiten, sich zu beschäftigen oder zu arbeiten, haben sie kaum. Zudem gilt ein striktes Telefonverbot – auch mit Anwälten. Besucher und Gefangene sind durch eine Trennscheibe voneinander getrennt. Die Post wird von den Gefängnis-Verantwortlichen geöffnet und teilweise gar nicht erst an die Empfänger weitergeleitet. Geschenke dürfen die Insassen nur alle zwei Monate bekommen. Menschenrechts-Kommissionen fordern deshalb einen Gruppenvollzug für Häftlinge der Untersuchungshaft, gerade weil die Inhaftierten noch nicht verurteilt sind.
Das sich derzeit noch in der Entwicklung befindende Zwei-Phasen-Modell sieht für den ersten Teil der Haft nach wie vor strikte Haftbedingungen vor. In einer zweiten Phase sollen diese für rund 40 Insassen des Gefängnisses Limmattal jedoch gelockert werden. Hierbei handelt es sich um Häftlinge, die wegen Flucht- und Wiederholungsgefahr inhaftiert bleiben. Sie sollen Besucher ohne Trennscheibe empfangen können. Tagsüber sollen die Zelltüren offen sein, sodass sich die Häftlinge gegenseitig besuchen können. Zudem sollen Arbeitsräume eingerichtet werden.
Aber nicht jede sich in Untersuchungshaft befindende Person eignet sich für das Zwei-Phasen-Modell. Inhaftierte, bei denen Verdunkelungsgefahr besteht – die also in Absprache mit Besuchern oder Mitinsassen Beweismittel verändern sowie Opfer, Zeugen oder Mittäter beeinflussen könnten –, dürften nicht in den Genuss der gelockerten Haftbedingungen kommen. Von welcher Dauer die beiden Phasen sind und wer diese festlegt, steht laut dem Amt für Justizvollzug derzeit noch nicht fest. Auch über die Dauer der Pilotphase im Dietiker Gefängnis macht das Amt keine Angaben.
Dass die neuen Haftbedingungen in Dietikon getestet werden, hat einfache Gründe: «Das Gefängnis Limmattal eignet sich, weil es unser modernstes Gefängnis ist», sagt Jessica Maise, Sprecherin des Amtes für Justizvollzug des Kantons Zürich. Grundsätzlich seien alle Gefängnisse im Kanton Zürich für die neue Form der Untersuchungshaft geeignet: «Bestimmte Gefängnisse sind für Phase 1, andere für die Phase 2 vorgesehen», so Maise weiter. Wie die Phasen den kantonalen Gefängnissen zugeteilt werden sowie ob und wann das Modell offiziell eingeführt werden soll, darüber gibt das Amt für Justizvollzug keine Auskunft.
Es ist nicht das erste Mal, dass das Gefängnis Limmattal für ein Pilotprojekt genutzt wird. Schon zu Beginn dieses Jahres kündete Regierungsrätin Fehr die Einrichtung einer Kriseninterventions-Abteilung für die zweite Jahreshälfte an. Die Abteilung bietet elf männlichen oder weiblichen Insassen, die suizidal gefährdet sind, mehr Platz und Raum. Dies wird durch das Einrichten von drei unterschiedlichen Zellformen möglich. Dank Eintritts-, Aufenthalts- und Akutzellen verfügt die Krisenintervention über mehr Begegnungsräume. Die gefährdeten Insassen sollen die Möglichkeit erhalten, miteinander zu essen und zu arbeiten. Zudem sind die Räume über den Spazierhof des Gefängnisses miteinander verbunden. Die Abteilung wurde als Reaktion auf die Kritik wegen der hohen Suizidrate in den Zürcher Untersuchungsgefängnissen ins Leben gerufen.