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David Martinez Salvany ist einer der besten Köche des Landes. In Schlieren gibt er sein Wissen weiter.
Es ist eng in der Küche des Stürmeierhuus in Schlieren. Normalerweise arbeiten hier fünf bis sechs Personen. Doch an diesem Abend drängen sich unter den tiefen Decken des altehrwürdigen Riegelhauses acht Besucher um einen Sternekoch und seine beiden Helfer, während draussen der Winter ins Land zieht.
Der Sternekoch ist David Martinez Salvany, seit gut einem Jahr Executive Küchenchef der Stiftung Arbeitskette, zu der auch das Stürmeierhuus gehört. Hier führt der Katalane alle paar Monate einen Kochkurs durch. Dann wird im Schlieremer Restaurant – laut Martinez eines der bestfrequentierten der Stiftung – etwas ausgefallener gekocht als an üblichen Tagen, an denen bodenständige Schweizer Gerichte auf den Tisch kommen.
Dass die Stiftung und der Spitzenkoch zusammenfanden, hat vor allem mit dessen Familiensinn zu tun. Martinez arbeitete im damals noch notorisch ausgebuchten Sternerestaurant Clouds im Prime Tower, 120 Meter über Zürcher Boden, als sein erstes Kind zur Welt kam. «Ich habe meinen Sohn praktisch nie gesehen», erinnert er sich. Die 16-Stunden-Tage liessen sich nicht mit einem echten Familienleben vereinbaren. Nach einer kurzen Auszeit fand er zur Stiftung Arbeitskette, deren soziales Konzept ihn überzeugte.
David Martinez Salvany wurde vor 46 Jahren in der katalonischen Kleinstadt Terrassa geboren. Nach seiner Lehre kochte er in der Heimat und im Ausland in Dreisternerestaurants und Cateringfirmen. 2003 holte ihn eine Bekannte als Küchenchef des neuen Restaurants Greulich nach Zürich. Seine innovative katalanische Küche kam an und wurde bald mit 16 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet. 2011 wurde er zusammen mit Antonio Colaianni Küchenchef des «Clouds» im Prime Tower, das schon im ersten Jahr einen Michelin-Stern bekam. Seit gut einem Jahr ist Martinez Executive Küchenchef der Stiftung Arbeitskette. Diese bietet in den eigenen sechs Betrieben Integrations- und Ausbildungsplätze für psychisch und physisch beeinträchtigte Menschen. Neben dem Stürmeierhuus in Schlieren gehören dazu die Stadtzürcher Betriebe Limmathof, Krone Altstetten, Renggergut, Alpenrose und die Kantine des Mediacampus in Altstetten.
Als Executive Küchenchef der Stiftung hat er nun geregeltere Arbeitszeiten. «Es gibt schon mal noch einen 16-Stunden-Tag, aber ein, zwei Mal im Monat und nicht täglich», sagt er. Dafür muss er heute mehr Administratives erledigen, die Menuplanung oder die Lieferantenkontakte etwa. Und er musste bei der Komplexität seiner Gerichte Kompromisse eingehen. Die Rezepte, die er zusammen mit den Küchenchefs der sechs Restaurants entwickelt, müssen für die Mitarbeitenden der Stiftung einfacher kochbar sein, als er es sich von früher in seinen Gourmettempeln gewohnt ist. Er sei zwar nie einer jener Köche gewesen, bei denen die Technik über allem steht, sagt er. Die könne noch so perfekt sein – wenn der Mensch hinter dem Kochlöffel nicht rüberkomme, fehle es der Küche an Seele. «Nachvollziehbar» habe seine Küche zudem immer sein müssen. Dennoch musste er seine avantgardistische Seite für den neuen Job zurückschrauben.
Auch bei den Kursen darf er seine Schüler nicht überfordern. In jeder Gruppe könnte es neben solchen, die fast auf professionellem Niveau kochen, auch komplette Novizen haben. An diesem Tag reicht die Palette vom pensionierten Chirurgen, der zuhause «die Ressorts Grillieren und Wähe» betreut, den Rest bisher aber lieber seiner Frau überlassen hat, über die selbsterklärte Gourmande, die hier ihre Berührungsängste mit Gelatine überwindet, zu ausgemachten Martinez-Fans, die ihn seit seiner Zeit als Küchenchef im «Greulich» kennen und seinen Kurs zum wiederholten Mal besuchen.
Die Kurse sind immer auch ein kleines Lehrstück in katalanischer Küche, mit der sich Martinez in Zürich einen Namen gemacht hat. Weil ihm aber saisonale und regionale Zutaten ebenso wichtig sind, gibt es neben typisch katalanischen Elementen wie eingelegten Sardellen und Mandelmus auch Kürbis, Wild, Waldpilze. In Zweierteams werden die vier Gänge des Abends zubereitet. Martinez hat alles im Blick, delegiert vorzu neue Arbeiten, ist zur Stelle, wenn ein Gericht sich einem kritischen Punkt nähert.
280 Franken zahlen die Teilnehmer, um von einem der besten zu lernen. Viel Geld, sind sie sich einig, doch das sei es auch wert. Man lerne hier nicht nur wertvolles Handwerk, sondern treffe auch auf interessante Leute, die man später beim gemeinsamen Essen näher kennenlernen kann. Tatsächlich weiss Martinez im Nu eine familiäre Atmosphäre zu schaffen. Wenn er in der Küche immer wieder die Truppe zusammentrommelt, um zwischen zischenden Pfannen und laufenden Mixern diesen Geheimtipp oder jene persönliche Vorliebe preiszugeben, ist von Starallüren nichts zu spüren.
Ohnehin ist Martinez für seine ruhige und höfliche Art bekannt. Vom rauen Ton, der in vielen Küchen herrscht, hält er nicht viel. «Wenn du bitte sagst, kommt das auf dich zurück», sagt er. Geduldig und freundlich ist er also nicht nur mit seinen zahlenden Gästen, sondern etwa auch mit Samuel Keller*, der an diesem Tag aushelfen gekommen ist. Der Stürmeierhuus-Angestellte, der kurz nach seiner Kochausbildung ein Burnout erlitt und sich hier nun auf den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt vorbereitet, nennt Martinez dafür «nicht meinen Chef, eher einen Freund».
Die Grenzen zwischen Freund und Arbeitskollege verlaufen bei Martinez manchmal fliessend. Roger Serrahima etwa, der Sous-Chef im Arbeitskette-Restaurant Limmathof, kennt Martinez schon seit vielen Jahren; er ist der Götti seines ersten Buben. Und zu seinen Dekorationen gehören nicht nur der «Clouds»-Michelin-Stern und die 16 Gault-Millau-Punkte, die er im «Greulich» erkocht hatte, sondern auch eine ganze Garde von gastronomischen Ziehsöhnen, die längst ihrerseits von sich reden machen. Mit vielen von ihnen unterhält er immer noch freundschaftliche Kontakte. Einer, dessen unprätentiöse, aber hochwertige Küche in Zürich gerade selbst ziemlich erfolgreich ist, hilft Martinez an diesem Tag spontan in Schlieren aus: «Gamper»-Koch Marius Frehner bereitet zum Dessert Birnen-Tartes-Tatin vor, weil Martinez’ üblicher Kurspartner erkrankt ist. «Wenn David ruft, komme ich», sagt Frehner, der Martinez’ erster Lehrling im «Greulich» war.
Als die Speisen später in der Stube des Stürmeierhuus an die Tische gebracht werden, sind einige recht erstaunt, was sie da unter fachkundiger Anleitung hingekriegt haben. Auch die Gäste, die jeder Kursteilnehmer für weitere 95 Franken zum Essen einladen kann, loben die Gerichte, zu denen je ein passender Wein serviert wird. Und wenn David Martinez zum nächsten Kurs ruft, werden einige von ihnen wieder dabei sein.
Die nächsten Kurse finden im Restaurant Mediacampus in Altstetten statt. Daten: 3. März, 26. Mai, 7. Juli, 27. Oktober. Kosten: 195 Franken für den Kochkurs, 95 Franken für eine Begleitperson zum Essen.
*Name geändert