Alle 69 Bewohner des Ruggackers müssen für eineinhalb Jahre umgesiedelt werden. Die Bewohner sind verunsichert.
Dass Josefine Sidler verunsichert ist, sieht man ihr an. Kein Wunder: Die sechs Männer, die soeben vor ihrem Zimmer im Dietiker Alters- und Gesundheitszentrum Ruggacker angekommen sind, haben den Auftrag, sie in ihr neues Zuhause umzusiedeln. Ob sie denn ihre Sachen selber tragen müsse, fragt die zierliche alte Frau mit ängstlichem Gesichtsausdruck. Pflegefachmann Darko Jovanovic, der im Ruggacker arbeitet, beruhigt sie: «Diese Männer werden Ihre Sachen in das neue Zimmer bringen und ich räume dann alles schön ein für Sie», sagt er. Josefine Sidler wirkt beruhigt: «Da bin ich froh.»
Eine gigantische Herausforderung
Während einer der Männer die alte Dame in Empfang nimmt und behutsam wegführt, kümmern sich die anderen um die wenigen Möbel und persönlichen Gegenstände, die in dem kleinen Zimmer bereitstehen. Alles geht sehr schnell: Eine Kommode wird hinausgetragen, das Bett flink auf die Seite gewendet und zur Türe hinausgeschoben, eine Tasche und zwei Kartonschachteln darauf platziert. Innerhalb von weniger als einer Viertelstunde ist das Zimmer leer, nur wenig später stehen die Möbel in einem lichtdurchfluteten, neuen Zimmer mit Blick über Dietikon.
Doch die Geschwindigkeit, mit der Josefine Sidlers Hab und Gut gezügelt worden ist, täuscht über die Tatsache hinweg, dass die ganze Aktion eine gigantische organisatorische Herausforderung ist. Denn: Alle 69Bewohnerinnen und Bewohner müssen innerhalb von zwei Wochen in den Neubau des Alterszentrums umgesiedelt werden. Dort bleiben sie bis im Spätsommer 2012, damit in dieser Zeit das alte Gebäude saniert werden kann.
Doch nicht nur das: Auch Stationszimmer, Büros, Sitzungszimmer und Aufenthaltsräume müssen in den Neubau verlegt werden. Bereits in ein Provisorium umgezogen worden ist die Küche. «Schwierig ist auch», sagt Karin Ament, die die Bereiche Pflege und Betreuung leitet, «dass wir während der Umzugszeit Infrastruktur in beiden Gebäuden haben müssen.»
Um das Team vom Ruggacker bei der Bewältigung dieser organisatorischen Herausforderung zu unterstützen, hat der Leiter der Zivilschutz-Region Dietikon, Hauptmann Daniel Wenger, für diese Woche 20Männer aufgeboten. «Bei der Planung war es uns ein grosses Anliegen, dass wir den Zivilschutz einsetzen können», erklärt Heinz Illi, Dietiker Sicherheitsvorstand. Man suche bewusst Einsätze, die den einzelnen Personen im Zivilschutz etwas nützten, Weiterbildungen, die einen Lerneffekt hätten. «Falls unsere Leute wirklich einmal in einem Noteinsatz gebraucht werden, ist es wichtig, dass sie gut ausgebildet und bereit sind.» Was die jungen Männer aus diesem Auftrag lernten, so Illi, sei wertvoll für die Zukunft. «Wir sind glücklich, dass wir diesen Einsatz aufgleisen konnten.»
Keine Hektik aufkommen lassen
Glücklich ist auch Pflegeleiterin Ament. «Die Zusammenarbeit mit dem Zivilschutz ist extrem bereichernd», sagt sie. Sie sei sehr beeindruckt von den jungen Männern, die sich sowohl den Bewohnern als auch den Mitarbeitenden des Altersheims gegenüber sehr respektvoll und wertschätzend verhielten.
Wie Christoph Schwemmer, Gesamtleiter des Alters- und Gesundheitszentrums, betont, sei es allen Beteiligten ein Anliegen, dass während des Umzugs keine Hektik aufkomme. Daher sei es ein grosser Vorteil, dass der Zivilschutz sowohl Männer aus dem Bereich Unterstützung als auch Betreuung zur Verfügung stellen könne. So sei das Team in der Lage, sich um alle Aspekte zu kümmern. «Wir hätten gar keine andere Organisation gefunden, die diese Aufgabe so interdisziplinär übernehmen könnte», so Schwemmer.
Auch Dani Maurer, der sonst im Zivilschutz als Rechnungsführer im Büro eingeteilt ist und nun als Gruppenleiter ein Team von vier Männern leitet, freut sich über den Einsatz. «Es ist eine interessante Abwechslung.» Er schätze den Kontakt mit den alten Menschen, auch wenn einige von ihnen verständlicherweise angesichts des Umzuges etwas verwirrt seien. Ab und zu ergäben sich interessante Gespräche, erzählt er. Und: «Die meisten Bewohner freuen sich, wenn wir am Morgen kommen. Sie strahlen und einige winken uns sogar zu.»
Vom Einzelzimmer zur WG
Dass die Bewohnerinnen und Bewohner die Umstellung im Grossen und Ganzen sehr gut akzeptierten, habe sie erstaunt, sagt Ament. Und dies, obwohl einige, die bisher ein Einzelzimmer hatten, nun vorübergehend mit einer Nachbarin oder einem Nachbar in ein grösseres Zimmer zusammenziehen müssten. Natürlich seien einige verunsichert. Doch: «Die meisten lassen sich darauf ein, als ob es ein grosses Abenteuer wäre.»
Dazu darf man wohl den 84-jährigen Max Landert zählen, der in seinem Rollstuhl im Aufenthaltsraum sitzt und darauf wartet, dass sein neues Zimmer eingerichtet wird. «Ich kann mich nur überraschen lassen», sagt er. Dass er nun mit einem anderen Mann zusammenwohnen werde, sei sicher eine Umstellung. «Ich hoffe, es hat da genug Platz für unsere Möbel», sagt er und lacht verschmitzt: «Wir können ja schliesslich nicht in einem Doppelbett schlafen.»
Auch Gerda Breitenmoser, die bereits in ihrem neuen Zimmer an der grossen Fensterfront sitzt, sieht zufrieden aus. Kein Wunder: Sie muss ihren neuen Raum nicht teilen. «Ich hätte nie gedacht, dass ich so viel Platz bekomme», sagt sie: «Ich bin begeistert.»