Dietikon
Samule Bächtold lebt seine Leidenschaft für die Drachen

Für zwei Wochen hat der Drachenmacher Samuel Bächtold sein Atelier in das Textwerk in Dietikon verlegt – am Samstagabend folgt der feurige Abschluss. Für den Künstler bedeuten Drachen Lebensinhalt und Existenzgrundlage zugleich.

Meret Michel
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Mit viel Liebe zum Detail fertigt Samuel Bächtold seine Drachen aus Ton.

Mit viel Liebe zum Detail fertigt Samuel Bächtold seine Drachen aus Ton.

Meret Michel

Drachen sind Feuer speiende Ungeheuer – sie kreischen, fauchen, und wo sie hinkommen verbreiten sie Angst und Schrecken. Sie sind aber auch anmutige Wesen, die mit imposanten Schwingen über einsame Berglandschaften kreisen. Seit Jahrhunderten faszinieren sie die Menschen und sind Protagonisten von Legenden und Fantasyromanen. Für Samuel Bächtold sind Drachen mehr als eine Faszination: Sie sind seine Leidenschaft, sein Lebensinhalt. Und seine Existenzgrundlage – denn Samuel Bächtold ist Drachenmacher.

Seit zwei Wochen trifft man Bächtold im Textwerk in Dietikon, dem neuen Kulturlokal des Theaters Dietikon. Der teilweise in Dietikon aufgewachsene Bächtold hat für die kurze Zeit sein Atelier von Beckenried hierher verlegt – heute Abend wird der Höhepunkt seiner Arbeit stattfinden: die Drachentaufe, bei der ein Tondrache im Ofen gebrannt wird.

Ochsnerkübel dient als Raku-Ofen

Bächtolds Drachen sind meistens ungefähr kniehoch und fein mit Details ausgearbeitet. «Das Schwierigste ist der Kopf, denn in ihm liegt die ganze Ausdruckskraft des Drachens», erklärt der Drachenmacher. Das wirklich Spektakuläre an seiner Arbeit ist das Brennen: Dazu hat Bächtold eigens einen alten Patent-Ochsner-Eimer zum Ofen umfunktioniert. So kann man fast eine Stunde lang beobachten, wie der Drache in Funken und Flammen zu einem glänzenden, mit feinen Rissen geäderten Wesen wird. Das ist das Geheimnis des Raku-Brands, einer japanischen Brenntechnik: Die Hitze sprengt feine Risse ins Material, die nachher mit dem Russ von Sägemehlspänen schwarz eingefärbt werden.

«Drachen sind mein Schutz»

Mit seiner Leidenschaft für Drachen polarisiert der Künstler rundum: «Manche Leute können schlicht nicht nachvollziehen, wie man sein Leben Drachen widmen kann», sagt Bächtold. Er ist auch müde ständig zu erklären, woher seine Faszination für Drachen kommt. Auf diese Frage antwortet er einzig, dass die Drachen ihn gefunden hätten. Wo die Leidenschaft auch herkommen mag, Bächtold brennt für Drachen: «Für mich ist es der Zwiespalt, den Drachen auslösen. Die Menschen fürchten sich einerseits davor, sie sind aber auch fasziniert von ihnen. In den Erzählungen der Innerschweiz zum Beispiel geht es immer darum, einen Drachen zu erlegen – letztlich unterliegt jedoch immer derjenige, der den Drachen töten will.» Für Bächtold allerdings ist der Drache kein feindliches Wesen, im Gegenteil: «Drachen sind mein Schutz – und auch meine Existenz.» Schliesslich verdient Bächtold sein Geld mit Drachenmachen. «Damit lebe ich zwar ein äusserst bescheidenes Leben. Trotzdem habe ich nie daran gezweifelt, dass ich das Richtige mache.»

Aus der Werkstatt ins Atelier

Natürlich plagen ihn auch manchmal Existenzängste: «Heute gibt es immer weniger Platz für Leute wie mich. Nischen zu finden, etwas Spezielles machen und damit bestehen zu können, wird in unserer Gesellschaft zunehmend schwieriger.» Bereut habe er es aber nie, dass er vor elf Jahren seinen Job als Tramchauffeur in Zürich aufgab. «So kann ich genau das machen, was ich will. Und die Drachen geben mir Kraft und Sicherheit, um dabei zu bleiben.» Es klingt fast wie wahre Liebe, doch es ist mehr als das: Drachen sind ein Teil von Samuel Bächtold. Spricht er über Drachen, spricht er eigentlich über sich selbst. «Dieser hier», meint er, und zeigt auf einen schwarzen Drachen im Schaufenster, «gefällt mir besonders. Er reisst den Mund auf und zeigt die Zähne. Doch eigentlich lacht er alle aus, ohne es jedoch böse zu meinen.»

Drachengeburt heute auf dem Dietiker Stadthausplatz, ab 19.30 Uhr.

www.drachenmacher.ch