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Der Sekretär der Vereinigung islamischer Organisationen in Zürich über radikalisierte Jugendliche.
Muris Begovic*: Ich kenne die Quellen der «Weltwoche» nicht. Wir von der Vereinigung der islamischen Organisationen in Zürich (Vioz) haben nichts in diese Richtung beobachtet.
Nein, ich kenne ihn nicht.
Ich kenne gewisse Fälle aus den Medien. Obwohl wir keine «Diagnose» machen können, nehmen wir an, dass diese Menschen an Perspektivenlosigkeit leiden. Sie sind oft auf der Suche nach eigener Identität, und da passiert es leider, dass die falschen Leute sie auf diesem Weg begleiten. Es sind verschiede Gründe, die dazu führen, dass sich jemand radikalisiert.
Unabhängig davon ist bei uns die Krise mit der Zeit zum Dauerzustand geworden. Dies ist mittlerweile Alltag, und es gehört zu meiner Berufung als Imam und Seelsorger, für Menschen in Not und in einer Krise da zu sein.
Wir waren in Kontakt mit Familien, deren Kinder sich radikalisiert haben oder die befürchteten, dass es in diese Richtung geht. Soweit es unsere Möglichkeiten erlaubt haben, haben wir gehandelt und geholfen. Familie, Moschee und Behörden sollen zusammenarbeiten, um Sicherheit für die Gesellschaft und die Betroffenen zu gewährleisten und Präventivmassnahmen rechtzeitig zu einleiten. Dies hat leider nicht immer funktioniert, und deshalb sind einige nach Syrien gegangen. Es gibt keine absolute Sicherheit und auch keine Versicherung, die solche Risiken deckt.
Es gibt in solchen Fällen keine Regel. Es gibt also keine Zauberformel, die man aussprechen kann, und dann ist jemand nicht mehr radikal. Es ist ein Prozess, der zur Radikalisierung führt und somit auch ein Prozess, der zur Deradikalisierung führt.
Radikalisierung ist für uns wie auch für viele Ämter ein neues Phänomen. Man ist nicht so organisiert beziehungsweise darauf sensibilisiert, um zu wissen, was genau zu tun ist. Oft ist es so, dass bei Anfragen die Antwort kommt, dass es nicht im Handlungsbereich dieses Amtes ist. Wenn man zum Beispiel in einer Gemeinde bemerkt, dass sich jemand stark verändert hat und gewisse Sympathien gewissen Gruppierungen gegenüber hat: An wen kann man sich da wenden? Ich fühle mich alleine gelassen, indem ich zwar das Vertrauen der Bevölkerung geniesse und über Fälle gewisser Veränderungen erfahre, dann aber nicht die Möglichkeit habe, weiter zu handeln. Es läuft so, dass man sich zuerst intern berät und hofft, dass dies die richtigen Schritte sind, die man macht.
Meiner Meinung nach ist es wichtig, eine Stelle zu schaffen, bei der ich die Zuversicht und das Vertrauen habe, dass das Richtige unternommen wird, oder eine professionelle Beratung bekomme. Man muss sich die Frage stellen, wie muslimische Jugendarbeit gefördert und nicht nur gefordert werden kann.
*Muris Begovic ist Sekretär der Vereinigung der islamischen Organisationen in Zürich und zweiter Imam der bosnischen Moschee in Schlieren. Zudem leitet er das Projekt Muslimische Notfallseelsorge Zürich. Das Interview wurde schriftlich geführt.