Dietikon
Droht dem Limmattal der Verkehrskollaps? - So könnten wir uns in Zukunft bewegen

Zu Spitzenzeiten kommt das Verkehrssystem im Limmattal an seine Grenzen. Das zumindest ist die Haltung von drei Experten und einer Expertin, die am Dienstagabend auf Einladung des Hauseigentümerverbands Limmattal diskutierten und Lösungsansätze sammelten.

Franziska Schädel
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Droht dem Limmattal der Verkehrskollaps?
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Hans Egloff (SVP), Nationalrat aus Aesch: «Nicht jeder kann umsteigen. Das Gewerbe ist zwingend auf das Auto und damit auf flüssigen Verkehr angewiesen.»
Werner Toggenburger, Amt für Verkehr: «Die Wege werden wieder kürzer. Man besucht wieder Dorfläden in der Nähe, trifft sich mit Freunden im Quartier.»
Jasmina Ritz, Limmatstadt AG: «Die Attraktivität unserer Region ist positiv zu bewerten. Mit Wachstum ist einfacher umzugehen als mit Stillstand.»
Otto Müller (FDP), Dietiker Stadtpräsident: «Die Zeit der ganz grossen Würfe ist vorbei. Mit gezielten Massnahmen sind Verbesserungen aber noch möglich. »

Droht dem Limmattal der Verkehrskollaps?

Franziska Schädel

Droht dem Limmattal der Verkehrskollaps? Um es vorwegzunehmen: Es ist wohl kaum zu befürchten. Zu Spitzenzeiten komme das Verkehrssystem aber an seine Grenzen. Das zumindest ist die Haltung von drei Experten und einer Expertin, die am Dienstagabend auf Einladung des Hauseigentümerverbands Limmattal diskutierten.

Auf dem Podium im Dietiker Stadthaus sassen Nationalrat Hans Egloff (SVP) aus Aesch, der Dietiker Stadtpräsident Otto Müller (FDP), die Geschäftsführerin der Limmatstadt AG, Jasmina Ritz, und Werner Toggenburger, Entwicklungsingenieur beim Amt für Verkehr, um über die Entwicklung des Metropolitanraums Limmattal zu sprechen. Es ging um Wachstum, Mobilität und die Frage nach dem Nutzen von immer mehr Strassen.

In einem Einstiegsreferat brach Ritz eine Lanze für die Region: «Das Limmattal ist urban, naturnah und immer wieder überraschend.» Natürlich bringe das grosse Wachstum von Bevölkerung und Arbeitsplätzen Veränderungen mit sich. Die Prognosen bis 2040 gehen von einer Zunahme von 20 bis 30 Prozent aus. Dies sollte man indes als Chance verstehen: «Wir können die Entwicklung gestalten und mit dem vorhandenen Potenzial der Region gute Lösungen finden», sagte Ritz.

Auf dem Velo – im Keller

Die Einstiegsfrage von Bettina Hamilton-Irvine, Chefredaktorin der Limmattaler Zeitung und Moderatorin der Runde, brachte dann gleich eine erste Überraschung zutage. «Welches ist Ihr Lieblingsverkehrsmittel?», wollte sie wissen – und sah sich in Form von Egloff und Müller gleich mit zwei Velofans aus bürgerlichen Parteien konfrontiert.

Müller gestand allerdings zur allgemeinen Erheiterung, dass er zwar jeden Morgen Velo fahre, dies allerdings auf dem Hometrainer im Keller seines Hauses. Ritz sagte, sie sei ehrlich und fahre am liebsten mit ihrem Elektroauto, während sich Toggenburger nicht festlegen wollte: Er setze je nach Ziel auf Bus, Zug oder Auto.

Diskutiert wurde dann aber vor allem über die Zukunft. So sieht der regionale Richtplan bis 2030 eine Reduktion des motorisierten Individualverkehrs von 65 auf 55 Prozent voraus. «Wie ist das zu erreichen? Soll man den Autofahrern das Leben schwer machen?», warf die Moderatorin in die Runde.

Egloff betonte mehr als einmal, er halte nichts von Umerziehungsmassnahmen der Verkehrsteilnehmer. Er weiss aber aus eigener Erfahrung, dass ein gutes Angebot im öffentlichen Verkehr Menschen motivieren kann, das Auto zu Hause zu lassen. «Ich habe realisiert, dass ich mit dem Zug immer schneller in Bern bin als mit dem Auto», sagte er, schränkte aber gleichzeitig ein: «Nicht jeder kann umsteigen. Das Gewerbe ist zwingend auf das Auto und damit auf flüssigen Verkehr angewiesen.» Egloff plädierte auch für mehr Weitblick bei der Planung. «Verkehrsinfrastruktur kann nicht von heute auf morgen ausgebaut werden.»

Verändertes Mobilitätsverhalten

Für Toggenburger ist wichtig, dass die Verkehrsmittel aufeinander abgestimmt sind. Wenn die Limmattalbahn durch die Zentren fahre, würden die Autofahrer nicht abgeschreckt, sondern sanft in Richtung Autobahn gelenkt. Er zeigte sich zudem überzeugt, dass die Wege mit steigender Siedlungsdichte wieder kürzer werden. «Man sucht wieder Dorfläden in der Nähe, trifft sich mit Freunden im Quartier.»

Für Müller sind die Zeiten der ganz grossen Würfe in der Verkehrsplanung zwar vorbei, wie er sagte. Mit gezielten Massnahmen liessen sich aber immer noch Verbesserungen im Verkehrsfluss erzielen. Er sprach von Dosierungsstellen, zum Beispiel beim Reppischhof und an der Bunkerkreuzung in Dietikon, von einem geplanten Bahn-Entlastungstunnel ab Altstetten, von der Limmattalbahn und von neuem Rollmaterial, das ein schnelleres Anhalten und Beschleunigen der S-Bahn und damit eine Kapazitätserhöhung ermögliche. Auch der Ausbau des Gubrist werde Besserung bringen.

Aber: «Wir können nicht immer noch mehr Löcher bohren.» Auch Toggenburger warnte vor übertriebenen Erwartungen beim Ausbau der S-Bahn: «Je dichter die Zugsfolge, desto gravierender wirken sich Störungen aus.» Es sei ein ständiges Ausreizen der Systeme, ein Herantasten daran, was noch möglich sei.

In der Diskussionsrunde war vorsichtiger Optimismus zu spüren. Wiederholt wurde darauf hingewiesen, dass sich das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung verändern wird. Ritz sagte gar: «Wir stehen vor einer grossen Revolution.» Automatisch fahrende Autos, Car- und Velosharing oder Lastenvelos seien Hinweise auf diese Entwicklung. Müller zeigte sich überzeugt, dass die neue Generation mit einer anderen Einstellung zum Auto heranwächst. Auch von veränderten Arbeitszeitmodellen, welche den Verkehr entlasten, war die Rede.

«Menschen leben gern hier»

Das Limmattal – darin war sich die Runde einig – ist trotz Siedlungsdruck keineswegs nur das Auffangbecken für die Stadt Zürich. «Die Menschen leben gerne hier», sagte Müller. Egloff wies darauf hin, dass die Qualität des Angebots für Gewerberäume und Büros besser sei als in Zürich.

Auf die Frage aus dem Publikum nach den Grenzen des Wachstums gab Ritz zur Antwort: «Die Attraktivität unserer Region ist positiv zu bewerten. Mit Wachstum ist einfacher umzugehen als mit Stillstand.» Das Limmattal müsse ganzheitlich wahrgenommen und die Chancen sichtbar gemacht werden: «Es ist wichtig, dass wir uns als Gesamtregion bei Bund und Kanton Gehör verschaffen.»