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Im Schlieremer Briefzentrum Mülligen kommen täglich 70 000 ausländische Sendungen an.
Es ist ein Fliessbandjob im Zweischichtbetrieb: Im Briefzentrum Zürich-Mülligen, das sich auf Schlieremer Boden befindet, nehmen die Mitarbeiter der Post jeden Tag gut 70 000 Sendungen aus dem Ausland entgegen, von sieben Uhr morgens bis halb acht Uhr abends. Die 80 Angestellten in der 70 000 Quadratmeter grossen Halle haben ständig das Surren der Fliessbänder im Ohr – und Karton an den Fingern.
Denn anders als der Name vermuten lässt, werden im Briefzentrum auch Pakete sortiert. «Der Name bezieht sich auf den internationalen Brief-Standard, dazu gehören die meisten Sendungen unter fünf Kilogramm», sagt Andreas Weber, der Standortleiter Postverzollung des Briefzentrums. Grössere Pakete aus dem Ausland landen hingegen im Paketzentrum in Urdorf.
Seit 2007 ist die Post nicht nur für die Sortierung und Zustellung ausländischer Sendungen zuständig, sondern auch für das Zollwesen. Die Mitarbeiter prüfen jede Warensendung und beurteilen sie als abgabefrei, abgabepflichtig oder abklärungspflichtig. Dafür schauen sie zuerst die angeklebten Warendeklarationen an. Je nachdem schütteln sie das Versandgut, drücken darauf herum oder riechen auch mal daran. Manchmal greifen sie zum Japanmesser und öffnen den Brief oder das Paket. Rund 90 Prozent der Lieferungen sind aber abgabefrei, weil es sich zum Beispiel um reine Briefe handelt, die keine Ware enthalten. Sie können direkt an die Zustellung weitergegeben werden. Die abklärungspflichtigen Sendungen sind hingegen die skurrilsten. Sie werden geröntgt und je nachdem weiter untersucht. Ob gefälschte Adidas-Schuhe oder Leichenteile: Es gibt nichts, was es nicht gibt. «Pro Tag beurteilen wir 1200 Sendungen als abklärungsbedürftig. In 80 Prozent der Fälle tun wir das zu Recht, weil sie zum Beispiel falsch deklariert oder illegal sind», sagt Andreas Weber. Bei den abgabepflichtigen Waren müssen die Mitarbeiter hingegen nur berechnen, wie viel Mehrwertsteuer und Zollabgaben der Empfänger zahlen muss.
Die Post kann dem Empfänger für den Kontrollaufwand eine kostendeckende Gebühr von 13 Franken belasten. Dafür wurde sie schon als «Abzockerin» kritisiert, obwohl die Gebühr vom Schweizer Preisüberwacher bestätigt wurde. Früher gab es noch keine Gebühr: Weil der Zoll ausländische Lieferungen noch selber kontrollierte, trug der Staat die Kontrollkosten. Der Obwaldner CVP-Ständerat Erich Ettlin hat im Dezember eine Motion eingereicht, die verlangt, dass der Bund die Kontrollgebühr dem Paket-Empfänger zurückerstattet. Anfang März hat der Ständerat die Motion angenommen. Als Nächstes entscheidet der Nationalrat. Gestern lud die Post nun Journalisten in ihr Briefzentrum ein, um ihre Postverzollung vorzustellen.
Ihr Aufwand steigt, weil das Online-Shopping ein riesiger Wachstumsmarkt ist. Online-Einkäufe im Ausland haben letztes Jahr um 22 Prozent zugenommen. Für das Briefzentrum bedeutet das mehr Arbeit: 2015 wurden hier 14,5 Millionen Sendungen verarbeitet. Das sind 32 Prozent mehr als im 2014. «Im laufenden Jahr wird das Wachstum noch grösser», sagt Weber.
Besonders viel zu tun geben die täglich 20 000 Sendungen aus Asien, insbesondere aus China: 95 Prozent davon sind falsch deklariert. Ein Beispiel: Bei einem iPhone wurde ein Warenwert von 20 Dollar angegeben. In solchen Fällen muss die Post Kontakt mit dem Empfänger aufnehmen, um den realen Wert der Bestellung herauszufinden und sie richtig verzollen zu können.
Worauf achten die Mitarbeiter bei der Kontrolle, um die abklärungsbedürftigen Sendungen herauszusortieren? Dazu kann Weber nichts sagen: «Was ich aber sagen kann: Wer zwei Jahre bei uns arbeitet, hat genug Erfahrung, um praktisch jede verdächtige Sendung zu erkennen. Das ist wie beim Grenzwächter am Strassenzoll, der verdächtige Lenker zu sich winkt.»
Zoll, Mehrwertsteuer und obendrauf noch eine Gebühr für die Kontrolle der Sendung: Wer im Ausland bestellt, kann von der Post kräftig zur Kasse gebeten werden, weil das Gesetz sie dazu verpflichtet. Der vermeintliche Schnäppchenkauf im ausländischen Online-Shop wird so zu einer teuren Enttäuschung. Doch es gibt Tricks, wie man den Gebühren aus dem Weg gehen kann.
Aus administrativen Gründen erhebt die Post keine Zoll- und Mehrwertsteuerbeträge von unter 5 Franken. Auch das sieht das Gesetz so vor. Bei Waren, die dem Mehrwertsteuersatz von 8 Prozent unterliegen (zum Beispiel Kleider), sollte die Bestellung daher den Wert von 63 Franken nicht überschreiten. Bei Bestellungen zum Mehrwertsteuersatz von 2,5 Prozent (zum Beispiel Bücher) sollte die Bestellung den Wert von 201 Franken nicht überschreiten. Der Haken: Die 13-fränkige Kontrollgebühr kann trotzdem anfallen, wenn die Post abklärt, ob der Wert des Inhalts tatsächlich so tief liegt. Eine Alternative sind Paketstationen in Süddeutschland.
Dabei zahlt man einem Anbieter wie grenzpaket.ch oder paketstation.ch eine kleine Gebühr, lässt das Paket dorthin liefern und holt es ab. Dann bringt man die Ware selber in die Schweiz und profitiert so von der Wertfreigrenze, die bei 300 Franken liegt. Was in der Grenzstadt Basel gang und gäbe ist, ist für Limmattaler aber mit einer gut 40-minütigen Autofahrt zum Beispiel nach Lottstetten oder Hohentengen am Hochrhein verbunden.
Je nachdem, wie wertvoll die Sendung ist und ob man nicht nur deswegen nach Deutschland fährt, kann sich das lohnen. Grosse Versandhäuser wie zum Beispiel Zalando bieten die einfachste Lösung: Sie lassen die Ware in die Schweiz bringen und verzollen und geben das Paket dann in der Schweiz auf. Der Kunde merkt so gar nicht, dass die Ware aus dem Ausland kommt und es fallen nur jene Kosten an, die dem Kunden schon bei der Online-Bestellung angezeigt werden.
Übrigens: Ein .ch am Schluss der Website heisst nicht zwingend, dass die Ware aus der Schweiz versandt wird. (DEG)