Soziallasten
Dietikon und Schlieren wollen Kosten für Integration erstattet haben

Sechs Agglomerationsgemeinden fordern einen neuen Soziallastenausgleich im Kanton Zürich. Sie investieren viel Geld in Integration und Bildung, das komme schliesslich allen zugute und sei endlich auch finanziell anzuerkennen.

Jürg Krebs
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So kanns nicht weiter gehen, sagen sich sechs Zürcher Agglomerationsgemeinden – darunter Dietikon und Schlieren. Oder wie es der Dietiker Finanzvorstand an der Medienorientierung vom Donnerstagvormittag ausdrückte: „Im Kanton passiert etwas, das alle angeht.“ Das Phänomen, das Schaeren und die Finanzvorstände der Gemeinden Schlieren, Embrach, Wädenswil, Opfikon und Affoltern am Albis ausgemacht haben: Die Soziallasten steigen und die Steuerkraft stagniert wegen fehlender Einnahmen. Die Erkenntnis daraus: Der Zürcher Finanzausgleich erfüllt seine Zielvorgaben nicht; nämlich, belasteteren Städte und Gemeinden die Erfüllung ihrer Aufgaben zu garantieren. Und: Das Problem betrifft weit mehr Gemeinden als allgemein angenommen werde. Schaeren und seine Mitstreiter fordern deshalb eine politische Diskussion ein.

Dietikon: 37,7% der Steuerkraft für Soziallasten

Doch erst die Zahlen, welche die Entwicklung verdeutlichen: Im Zeitraum 2010 bis 2014 wurden Zahlen von 113 von rund 170 politischen Gemeinden ausgewertet. Das Resultat: Die Kosten sind im Durchschnitt bei den Ergänzungsleistungen zur AHV/IV um 23% gestiegen, bei der gesetzlichen wirtschaftlichen Hilfe um 24%, bei der Pflegefinanzierung um 83% (Wechsel im Finanzierungssystem), bei der Kleinkinderbetreuung um 809% und bei den Alimenten um 17%.

Die höchste Belastung der untersuchten Gemeinden weist Dietikon auf: 37,7% der Steuerkraft werden für Soziallasten aufgewendet. Das macht 1250 Franken pro Einwohner. In Schlieren (Rang 2) sind es 34,3% und 1147 Franken pro Einwohner. Zum Vergleich: In der Agglomerationsgemeinde Wallisellen sind es 18,2 Prozent und 740 Franken pro Einwohner. Die Städte Zürich und Winterthur sind laut Schaeren genau gleich betroffen wie Dietikon, doch profitieren diese von speziellen Ausgleichsregeln.

Mehr sparen? Nutzt nichts

Schaeren wehrt sich gegen den Vorwurf, diese Gemeinden hätten ihre Finanzen einfach nicht im Griff. Die Kosten liegen in gesetzlichen Vorgaben begründet, welche die Gemeinden nicht oder nur marginal beeinflussen könnten, so Schaeren. Es gelte am System und deshalb am Verteilschlüssel zu schrauben.

Nicht nur die gesetzlichen Vorschriften seien aber gegeben, sondern auch Faktoren wie Lage, Grösse der Gemeinde und Anteil günstiger Wohnraum. Das alles beeinflusst laut Schaeren die Klientel und damit die Voraussetzungen. Zudem: Der Anstieg bei den Ergänzungsleistungen hängt mit der Demografie zusammen. Immer mehr Menschen erreichen das Pensionsalter und immer mehr ältere Menschen würden vor dem Pensionsalter die Stelle verlieren. Die Folge: Frühpensionierungen, geringere Leistungen und ein erhöhter Bedarf an Zuschüssen.

Also ein neuer Finanzausgleich, nachdem der letzte 2012 in Kraft trat? Das kann nicht die Lösung sein, so Schaeren. Der Grund: Die Veränderung einzelner Parameter löse das Systemproblem nicht. Und: Weil die reichen Gemeinden das Gefühl hätten, immer zu viel in den Finanzausgleich einzuzahlen, würde die Diskussion Jahre dauern. Zu lange. Schaeren fordert eine raschere Lösung. Ein Ausweg aus dem Dilemma wäre eine Kantonalisierung oder Nationalisierung des Problems. Lösungen habe die Arbeitsgruppe erarbeitet, doch sie wolle in einem ersten Schritt die Diskussion anregen und ihre Lösungen in einem zweiten Schritt in eine gemeinsame Lösung aller Gemeinden einbringen.

Sicher sei, eine Änderung sei gerechtfertigt, so Schaeren und die Finanzvorstände. Doch genau so sicher ist: Widerstand ist programmiert. Das Hauptargument von Schaeren und seinen Mitstreitern: Die armen Gemeinden leisten strukturbedingt grosse Anstrengungen in den Bereichen Integration und Ausbildung. Das komme auch den reichen Gemeinden zugute. Das Problem: Diese Leistungen von Dietikon oder Schlieren an die Allgemeinheit würden nirgends im Finanzausgleich berücksichtigt. Schaeren: „Wir wollen mit unserem Schritt an die Öffentlichkeit eine Betroffenheit erzeugen, um Akzeptanz zu erreichen.“