Dietikon
Mehr Absagen und Verschiebungen am Bezirksgericht: «Der Aufwand verdoppelt sich»

Verhandlungsausfälle sind in Zeiten von Corona häufig. Bezirksgerichtspräsident Stephan Aeschbacher sagt, wie das Gericht darauf reagiert und wie allgemein mit Verschiebungsgesuchen umgegangen wird.

Larissa Gassmann
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Hier wird täglich über das Schicksal verschiedenster Menschen entschieden: im Bezirksgebäude in Dietikon.

Hier wird täglich über das Schicksal verschiedenster Menschen entschieden: im Bezirksgebäude in Dietikon.

Severin Bigler

Vor wenigen Tagen wurde am Bezirksgericht Dietikon ein Kosovare wegen Drohung, Nötigung, Beschimpfung und weiteren Delikten verurteilt. Das Besondere daran: Das Urteil wurde in Abwesenheit des Täters gefällt. Denn dieser blieb gleich zum zweiten Mal der Verhandlung fern – es wird vermutet, dass er ins Ausland abgereist ist.

Dass Verhandlungen aufgrund von Abwesenheiten kurzfristig abgesagt und verschoben werden, ist keine Seltenheit. Auch im Januar 2022 ist dies nun schon mehrmals vorgekommen. Der Eindruck entsteht, dass Absagen beziehungsweise Verschiebungen immer häufiger vorkommen. Grundsätzlich führt das Bezirksgericht zwar keine Statistik darüber, wie oft und warum es zu Absagen und Verschiebungen kommt. Eine gewisse Zunahme beobachtet aber auch Gerichtspräsident Stephan Aeschbacher, wie er auf Anfrage mitteilt. «Wir hatten seit Beginn der Pandemie gefühlt etwas mehr Verschiebungsgesuche als zuvor», sagt Aeschbacher. «Grundsätzlich aber hätte ich mit wesentlich mehr gerechnet.»

Nicht anders sieht es am Obergericht Zürich aus. Auch dieses kann laut der Kommunikationsverantwortlichen Sabina Motta keine genauen Zahlen liefern. Aber: «Derzeit müssen aufgrund von Quarantäne- und Isolationsanordnungen sowie Krankheitsfällen vermehrt Verhandlungen verschoben werden.» Die Gerichte würden sich strikt an die Hygiene- und Verhaltensvorschriften des Bundesamts für Gesundheit (BAG) halten. Das führt einerseits dazu, dass es wohl derzeit zu mehr Verschiebungen kommt, «andererseits ist uns kein einziger Ansteckungsfall an einem Gericht bekannt», so Motta.

«Der Aufwand fürs Vorladen verdoppelt sich faktisch»

Nach wie vor habe der Betrieb am Bezirksgericht Dietikon auch im Pandemiejahr 2021 gut funktioniert, sagt denn auch Aeschbacher. Relevant würde das Thema erst werden, «wenn wir derart viele Gesuche hätten, dass der Betrieb durcheinandergeraten würde». Dies sei aber nicht der Fall. Von den kollegialgerichtlichen Straffällen habe er selbst etwa keinen einzigen coronabedingt verschieben müssen, so Aeschbacher.

Bezirksgerichtspräsident Stephan Aeschbacher.

Bezirksgerichtspräsident Stephan Aeschbacher.

David Egger

Unentschuldigtes Fernbleiben wird jeweils nicht geduldet. So muss jedes Verschiebungsgesuch ausreichend begründet werden. Wird das entsprechende Gesuch bewilligt, so werden die Beteiligten zu einem späteren Zeitpunkt erneut vorgeladen. «Häufig kommt es auch vor, dass Gesuche abgewiesen werden müssen», so Aeschbacher. Dies etwa, wenn Betroffene nachträglich einen Urlaub anmelden wollen, obwohl der Verhandlungstermin längst bekannt ist.

Der Mehraufwand bei bewilligten Verschiebungen bestehe darin, dass für den neuen Termin erneute Terminabsprachen getroffen und schriftliche Vorladungen verschickt werden müssen. «Der Aufwand fürs Vorladen verdoppelt sich dadurch faktisch», so Aeschbacher. Dass dies «insbesondere bei Verhandlungen mit vielen Parteien anspruchsvoll sein kann», bestätigt auch Motta. Schliesslich müssen die Richter, die Gerichtsmitarbeitenden, die Beschuldigten, die Anwälte und je nachdem auch Dolmetscher, Polizisten und weitere Personen an der Verhandlung teilnehmen. Eine grosse Häufung von Verschiebungen könnte laut Aeschbacher zudem dazu führen, «dass es einen Rückstau bei den Verhandlungen und damit auch bei der Bearbeitung der Fälle gibt».

Viel Flexibilität vom Gericht sei besonders dann erforderlich, wenn dringender Handlungsbedarf besteht. Etwa, wenn in strittigen familienrechtlichen Verfahren das Kindswohl tangiert ist, so Aeschbacher. Laut Motta könne deswegen in gewissen Verfahren teilweise auf die Durchführung von Verhandlungen per Videokonferenz ausgewichen werden: «Dies ist aber eher selten der Fall.» So oder so: Als störend und ärgerlich empfindet Aeschbacher Verschiebungsgesuche lediglich dann, wenn sie dem Zeitgewinn dienen und ungenügend begründet sind: «Aber das gehört halt einfach zum Job.»