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Limmattal
Der Schweizer Jean-Marc Sujata (24) wohnt seit einem Jahr in Japan. Im Interview erzählt der ETH-Student, warum Japaner nicht gerne diskutieren, dafür aber auch nie nörgeln.
Jean-Marc Sujata: Ich habe es mir deutlich einfacher vorgestellt. Selbst nach sechs Monaten Sprachschule und vier Monaten Praktikum verstehe ich an den Sitzungen nur die Hälfte. Die Dialekte sind sehr verschieden. Das ist ähnlich, wie wenn ein Zürcher einen Walliser verstehen will, der so schnell redet wie ein Wasserfall. Japanisch zu lernen, ist echt frustrierend.
Nein, die Englischkenntnisse der Japaner sind kaum vorhanden. Man sieht sofort, wie sich die Gesichtszüge des Gegenübers entspannen, wenn ich sage, dass ich auch Japanisch verstehe (lacht).
Schon im Gymnasium wollte ich Japanisch lernen. Doch leider wurden dafür keine Kurse angeboten. Im Studium habe ich dann begonnen, regelmässig an der Universität Zürich Sprachkurse zu belegen.
Jean-Marc Sujata studiert Elektrotechnik an der ETH Zürich. Seit Oktober 2016 wohnt der 24-jährige Dietiker in Japan, um im Rahmen eines Stipendiums des Scholarship-Programms der Schweiz-Japanischen Handelskammer Arbeitserfahrungen zu sammeln.
Das Ziel ist es, die Beziehungen zwischen den Ländern zu stärken und Junge zu fördern,die nach Abschluss der Ausbildung in einem schweizerisch-japanischen Betrieb arbeiten möchten. Sein Praktikum absolvierte Sujata bei GC Dental, einer japanischen, dentalmedizinischen Firma mit Hauptsitz in Luzern.
Beim Essen. Ich bin Vegetarier und das kennt man in Japan gar nicht. Es ist fast unmöglich, sich ohne Fleisch und Fisch zu ernähren. Auch das Verständnis der Menschen für die pflanzenbasierte Ernährung ist sehr gering. Ein bisschen Fischbrühe und ein paar Brocken Hähnchen, das wird hier auch einem Vegi zugemutet.
Meistens, ja. Allerdings wird in Japan viel öfter auswärts gegessen als bei uns. Auch mit der ganzen Abteilung der Firma. Generell ist man hier eher mit Leuten befreundet, die man vom Arbeitsplatz her kennt, weil man durch die langen Tage nicht viel Zeit übrig hat. Mehrmals im Monat geht das ganze Unternehmen zusammen trinken, das hat so Tradition.
Man kann so viel trinken, wie man will. Aber jeder bezahlt selbst. Der Preis wird abhängig gemacht vom Lohn. So zahlt beispielsweise der Chef gerne einmal doppelt so viel wie ein normaler Angestellter.
Es ist relativ schwierig, hier Freundschaften schliessen zu können. Die Japaner diskutieren nicht gerne und so bleiben die Gespräche meist oberflächlich.
Im Juli waren Wahlen in Japan, danach wollte ich die Resultate mit ein paar Kollegen bereden. Ich bekam nur ein Nicken zur Antwort. Die Menschen mögen es nicht, über Themen zu sprechen, die dem anderen unangenehm werden könnten. Manchmal vermisse ich es deshalb, mit jemandem über das aktuelle Zeitgeschehen zu diskutieren.
Wir Schweizer nörgeln echt gerne, das habe ich erst richtig realisiert, seitdem ich hier bin. Kommt ein Bus zu spät, dann warten hier alle geduldig, ohne zu seufzen. Ich habe dadurch gelernt, selbst mehr Ruhe zu bewahren. Aber manchmal, da würde ich schon gerne einfach mal ein bisschen motzen. Obwohl – ich vermisse die leeren Abteile der Schweizer S-Bahnen schon.
Überfüllt ist sogar untertrieben. Man wird regelrecht von einem Bahnmitarbeiter in Handschuhen in den Zug gepresst und steht dann so eingeklemmt da, bis man wieder aussteigen muss. Hinzu kommt, dass Zugfahren extrem teuer ist. Für eine Fahrt von Kyoto nach Tokio, die etwas länger als eine Stunde dauert, zahlt man schon mal 125 Franken.
Ja, vor allem wenn man es in der Relation zum Lohn anschaut. Viele junge Menschen wohnen deshalb auch lange nach Abschluss der Ausbildung noch zuhause.
In einem Hochhaus, das nur 1-Zimmer-Wohnungen hat. Das ist bei uns unvorstellbar.
Nicht einmal mehr Zürich, nein (lacht).
Gerne komme ich beruflich oder zum Reisen wieder nach Japan zurück, aber ein ganzes Leben hier verbringen ist für mich doch unvorstellbar. Dafür bin ich zu sehr der Europäer. Ich freue mich auf zuhause.
Zu Fuss zum Bäcker gehen und mir ein Brötchen kaufen. Definitiv.