Patricia Ljuboje
Das unbeschriebene grüne Blatt

Patricia Ljuboje beerbt den zurücktretenden Kantonsrat Andreas Wolf— obwohl durch und durch eine Grüne, verwendet die Urdorferin oft auch liberale Begriffe.

Alex Rudolf
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Patricia Ljuboje-Schwager.

Patricia Ljuboje-Schwager.

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Dies ist ihr erster öffentlicher Auftritt. Mit wachen Augen so grün wie ihre Politik und einem strahlenden Lächeln erwartet Patricia Ljuboje die Fragen, welche sie den Bewohnern des Bezirks Dietikon näherbringen sollen. Die Urdorferin wird ab Ende November die Nachfolge des Grünen Andreas Wolf im Kantonsrat übernehmen — ihr erstes politisches Amt. Ihre Gemütslage werde von grosser Vorfreude dominiert, sie sei sich der Möglichkeiten und der grossen Verantwortung bewusst, was sie manchmal auch ein wenig nervös werden lasse.

Nur wenig ist bekannt über die Neo-Politikerin. Hört man sich in den Limmattaler Politkreisen um, dann haben erst die wenigsten von ihr gehört. Parteiintern heisst es, sie sei sehr motiviert, umgänglich und interessiert — allesamt Adjektive, die ein politisches Profil nur bedingt schärfen.

Später Einstieg in die Politik

Urdorf stellt nun drei Mitglieder

Wenn Patricia Ljuboje ihr Amt als Kantonsrätin antritt, wird sie neben der Kantonsratspräsidentin Brigitta Johner (FDP) und René Gutknecht (GLP) die dritte Vertreterin aus Urdorf sein. Nur Dietikon stellt mit Rochus Burtscher (SVP), Rosmarie Joss (SP), Rolf Steiner (SP) und Josef Wiederkehr (CVP) mehr Kantonsräte. Pierre Dalcher (SVP) und Andreas Geistlich (FDP) vertreten die Stadt Schlieren, Willy Haderer (SVP) Unterengstringen und Hanspeter Haug (SVP) Weiningen. Am 12. April 2015 findet die Gesamterneuerungswahl des Kantons- und Regierungsrates statt. (aru)

Aufgewachsen ist die Ljuboje im zürcherischen Seegräben. Nach der Scheidung ihrer Eltern wuchs sie mit ihrer Schwester teils bei der Mutter, teils beim Vater auf. Mit elf zog sie nach Dietikon und absolvierte nach der Schulzeit eine Floristenlehre. Anschliessend arbeitete sie zehn Jahre auf dem Beruf. In ihren frühen Zwanzigern heiratete Ljuboje einen Serben, wurde Mutter, zog nach Urdorf. Mit dreissig krempelte sie ihr Leben radikal um. Sie wechselte in die Alterspflege und trennte sich von ihrem Mann. In den kommenden zehn Jahren sollte sie tagsüber ihren heute 18-jährigen Sohn erziehen, nachts arbeitete sie in der Nachtwache der Stiftung Solvita. Um sieben Uhr kam sie jeweils ins Bett, stand um elf auf, um ihrem Sohn das Mittagessen zuzubereiten. «Mütter sind die organisiertesten Menschen, die es gibt», sagt sie und schlägt eine Brücke zur Politik. Diese müsse nämlich dafür sorgen, dass der berufliche Wiedereinstieg nach der Mutterschaft erleichtert werde.

Dass eine Frauenquote dafür der richtige Weg ist, glaubt Ljuboje jedoch nicht. «Manche Firmen benachteiligen Frauen. Das finde ich skandalös. Unsere Gesellschaft sollte Strukturen schaffen, welche die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen.» Wie dies genau realisiert werden soll, darauf hat sie kein Patentrezept. Sie appelliert jedoch an die Eigenverantwortung der Firmen: «Traut uns Frauen mehr zu.»

Innige Beziehung zum Balkan

Ljubojes Weltbild sei auch von der Beziehung zum Balkan geformt worden, wie sie sagt. Sie habe wegen ihres Ex-Mannes viel Zeit in Serbien verbracht und sei im gesellschaftlichen Leben gut verankert gewesen, sei gar mit offenen Armen empfangen worden. «Zürchern würde ein Abbau der Vorurteile gegenüber Ausländern guttun», sagt sie. In dieser Hinsicht ist sie stolz auf den Bezirk Dietikon, denn bei Spaziergängen durch die Region, sehe sie die gelebte Integration. Menschen unterschiedlichster Hautfarbe und Konfession lebten Seite an Seite – das sei schön.

Verbesserungspotenzial für den Bezirk sieht sie im Schutz von Grünflächen und der damit einhergehenden Verdichtung von Siedlungsgebieten. «Zudem sollten den Bewohnern Alltagsthemen wie Recycling nähergebracht werden», sagt sie. So könnte ein schonungsvoller Umgang mit Ressourcen bereits in Schulen gelehrt werden. Unternehmen würde sie derweil gerne «ein Kränzchen winden», denn diese agieren in vielen Fällen bereits eigenverantwortlich nachhaltig.

Spricht man mit Ljuboje, dann entsteht schnell der Eindruck, dass sie im rechten Flügel der grünen Fraktion politisieren wird. In vielen Themen pocht sie auf Eigenverantwortung, eines der Schlagworte der liberalen Politik. Sei es im Recycling, bei Frauenquoten oder beim Verkehr. «Es soll an jeden appelliert werden, vermehrt mit dem Tram oder dem Velo zu pendeln», sagt sie. Die Infrastruktur müsse aber gegeben sein: So spricht sie sich klar für den Bau der Limmattalbahn aus.

Politische Inhalte noch unklar

Wie wird sie ihr politisches Profil schärfen? Sie habe sich bereits Notizen für allfällige Vorstösse gemacht, die sie gerne aufs politische Parkett bringen würde. Über thematische Schwerpunkte will sie aber noch nicht sprechen. Erst wolle sie ihre Kolleginnen und Kollegen sowie die Abläufe im Kantonsrat kennen lernen, dann wolle sie weitersehen. Viel Zeit dafür bleibt Ljuboje jedoch nicht. In den nächsten fünf Monaten muss sie ihr Gesicht, ihre Partei und ihre Positionen an die Leute bringen. Denn: «Am 12. April will ich meinen Sitz für die Grünen unbedingt verteidigen», sagt sie.

Offiziell gründet Andreas Wolfs Rücktritt auf einem Familienzuwachs — er wird in den kommenden Wochen zum zweiten Mal Vater. Dass seine Nachfolgerin Ljuboje nun ein halbes Jahr Zeit hat, sich der Öffentlichkeit als grünes Sprachrohr der Limmattaler Bevölkerung zu profilieren, ist dabei ein angenehmer Nebeneffekt. Bereits im Jahr 2011 ging diese Strategie mit dem damals unbekannten Wolf auf, der ein halbes Jahr vor den Gesamterneuerungswahlen in die Fussstapfen des zurückgetretenen Uitikers Lars Gubler trat.