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Region (LiZ)
Limmattal
Der Verkehr wird bis ins Jahr 2040 flächendeckend zunehmen: Das vierte Agglomerationsprogramm zeigt auf, wie dieses Wachstum zu bewältigen ist. Es legt den Fokus auf den Velo- und Fussverkehr. Strassenausbauprojekte sind kaum ein Thema.
Auf den ersten Blick täuscht das Werk den Leser. Denn es trägt nicht gerade den Titel eines Bestsellers: «Agglomerationsprogramm Limmattal der vierten Generation», heisst dieser trocken. Die Untertitel der beiden Bände versprechen nicht mehr Spannung; «Bericht», heisst der erste (237 Seiten), «Massnahmenband» der zweite (126 Seiten).
Und auch die Ausgangsthese überrascht den Leser nicht gerade: «Das Limmattal hat in den letzten zwanzig Jahren ein deutliches Wachstum erfahren. Auch künftig wird ein erheblicher Anstieg der Einwohner- und Beschäftigtenzahlen erwartet.» Dennoch ist das Werk, das die Kantone Zürich und Aargau gemeinsam vorlegen, von grosser Bedeutung. Weshalb, das zeigt die «Limmattaler Zeitung» in neun Punkten auf.
Die Agglomerationsprogramme legen die langfristigen, aufeinander abgestimmten Entwicklungsziele in den Bereichen Verkehr, Siedlung und Landschaft fest. Im Limmattal wird weiterhin von einer «hohen Entwicklungsdynamik» ausgegangen. Es müsse darauf hingewirkt werden, dass die Region nicht zu einem Siedlungsbrei verkomme, heisst es im Bericht. «Die grosse Zahl von Akteuren im Limmattal birgt die Gefahr, dass die Gesamtübersicht über die Entwicklungen und Wirkungen zuweilen verloren gehen könnte.»
Das vierte Agglomerationsprogramm für das Limmattal legt den Schwerpunkt beim Fuss- und Veloverkehr. Denn der weitere Anstieg der Einwohner- und Beschäftigtenzahlen wird zwangsläufig auch zu einem Verkehrswachstum führen. Hier muss gemäss übergeordneter Planung steuernd eingegriffen werden. Da die Strassen schon voll sind, soll der motorisierte Individualverkehr weniger stark als der öffentliche Verkehr sowie der Fuss- und Veloverkehr zunehmen. Damit dies möglich wird, braucht es entsprechende Massnahmen.
«Das Limmattal bietet dabei ideale topografische Voraussetzungen für den Veloverkehr», wie im Bericht zum vierten Agglomerationsprogramm steht. Es fehle aber vor allem an schnellen Veloverbindungen mit wenigen oder keinen Haltezwängen für Pendler. Als «Herzstück» wird deshalb die geplante Veloschnellroute von Zürich Altstetten bis ins aargauische Killwangen bezeichnet. Dieses Rückgrat des Veloverkehrs – eine schnelle Tallängsverbindung über Schlieren und Dietikon – soll mit Priorität A vorangetrieben werden (Realisierungsbeginn 2024). Das Agglomerationsprogramm sieht zudem vor, diverse weitere bestehende Velonetzlücken und Schwachstellen zu beheben. Die «konsequente Fokussierung bei den Massnahmen auf den Fuss- und Veloverkehr» spiegelt sich auch in den Kosten wieder. Alle 19 im Agglomerationsprogramm aufgeführten Vorhaben der Priorität A kosten zusammen knapp 134 Millionen Franken. Alleine die Veloschnellroute wird davon weit mehr als die Hälfte beanspruchen; für den Abschnitt von Schlieren über Dietikon an die Kantonsgrenze wird mit Ausgaben von 80 Millionen Franken gerechnet.
Die Entwicklung auf den Strassen geht grundsätzlich nur in eine Richtung. «In Folge der flächendeckenden Verkehrszunahme im Limmattal steigen die Überlastungen im Strassennetz und an den massgebenden Knotenpunkten weiter an», heisst es im Bericht. Das Agglomerationsprogramm sieht aber dennoch, wie in dessen Grundsätzen festgehalten ist, «kaum Strassenausbauten» vor. Es gibt zwar verschiedene Massnahmen, die den Strassenraum betreffen. Diese dienen aber nicht primär dem Kapazitätsausbau, sondern verfolgen andere Ziele. So soll beispielsweise der Verkehrsknoten Mutschellenstrasse und Silbernstrasse in Dietikon ausgebaut werden (Priorität A, 8 Millionen Franken). Dies dient vor allem der «Busbeschleunigung», wie es im Massnahmenband heisst. Im Weiteren ist unter anderem die Aufwertung der Zürcherstrasse in Oberengstringen vorgesehen (Priorität A, 8 Millionen Franken). «Stark belastete Ortsdurchfahrten sind eine der zentralen Schwächen im Limmattal», wird dazu im Massnahmenband festgehalten. Eine Umgestaltung soll einerseits die Verkehrssicherheit verbessern und andererseits die Qualität des Fuss- und Veloverkehrsnetzes erhöhen.
In den früheren Agglomerationsprogrammen stellte die neue Stadtbahn die eigentliche Schlüsselmassnahme dar. Nun befindet sie sich im Bau; Ende 2022 soll sie ihren Betrieb aufnehmen. Handlungsbedarf bestehe nun bei der «Inwertsetzung der Limmattalbahn», heisst es im aktuellen Bericht. Sie müsse eine Wirkung in die Quartiere entfalten: «Haltestellen entlang dieser Route bieten das Potenzial, sich zu funktionalen, aber auch charaktergebenden und somit die Quartierbildung unterstützenden Fokuspunkten innerhalb der Siedlung zu werden.»
Während die Limmattalbahn auf ihrem eigenen Trassee als schneller Feinverteiler funktionieren wird, will das Agglomerationsprogramm diverse «Schwachstellen beim strassengebundenen öffentlichen Verkehr beheben». Unter den Staus auf den Strassen leide auch die Zuverlässigkeit der Busse. So komme es beispielsweise in Weiningen an der Niederholz- und Fahrweidstrasse zu Fahrzeitverlusten.
Im Bericht werden als wesentliche Stärken der Region die «intakten Landwirtschafts-, Natur- und Erholungsräume, attraktive Ortskerne und Wohnlagen sowie eine gute Grundstruktur des öffentlichen Verkehrs» aufgeführt. Diese Qualitäten gelte es, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Als Limmattal werden die Siedlungsbänder beidseits der Limmat definiert. Zur Region gehören die acht Zürcher Gemeinden Dietikon, Geroldswil, Oberengstringen, Oetwil, Schlieren, Unterengstringen, Urdorf und Weiningen sowie die vier Aargauer Gemeinden Bergdietikon, Killwangen, Spreitenbach und Würenlos. Der Planungshorizont des Agglomerationsprogramms beträgt 20 Jahre.
Auf Basis der Agglomerationsprogramme leistet der Bund Beiträge an neue Verkehrsinfrastrukturen. 2007 hatte der Kanton Zürich beim Bund die erste Generation eingereicht. 2012 und 2016 folgten die zweite und die dritte Generation. Die Programme der vierten Generation für die Regionen Limmattal, Stadt Zürich/Glattal und Zürcher Oberland werden seit Mitte 2019 erarbeitet und sollen Mitte 2021 beim Bund eingereicht werden. Die Programme sind unter der Federführung des kantonalen Amts für Verkehr in Zusammenarbeit mit den Planungsregionen, den Städten und den Gemeinden entstanden. Diese Agglomerationsprogramme sind die Voraussetzung dafür, dass der Bund Beiträge an kantonale und kommunale Verkehrsinfrastrukturprojekte leistet. Der Bund spricht für umsetzungsreife Massnahmen im Bereich Verkehr einen Beitrag von 30 bis 50 Prozent der Investitionskosten.
Die Agglomerationsprogramme der vierten Generation liegen seit Montag öffentlich auf. Der Bericht und der Massnahmenband sind auf der Website des Kantons zu finden. Der Zürcher Regierungsrat erhofft sich, dass die erarbeiteten Programme möglichst breit abgestützt und mitgetragen werden. Er ruft deshalb die Städte und Gemeinden des Kantons Zürich, die Planungsregionen, die Transportunternehmungen, weitere Interessengruppen wie Verbände und die Bevölkerung dazu auf, zu diesen Stellung zu nehmen. Bis 6. November können Stellungnahmen elektronisch eingereicht werden.