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Limmattal
Als Breast Care Nurse begleitet Katharine Röthlisberger die Frauen zur Brustpunktion und betreut sie nach Erhalt der Diagnose aus pflegerischer Sicht gemeinsam mit den Ärzten.
Brustkrebs ist die häufigste Art der Krebserkrankung bei Frauen. In der Schweiz wird er bei jährlich rund 5 500 Frauen diagnostiziert. Jedes Jahr verlieren rund 1300 Schweizerinnen den Kampf gegen die Krankheit. Dank medizinischem Fortschritt muss Brustkrebs heute zwar kein Todesurteil mehr sein. Der Weg zur Heilung ist jedoch lang und beschwerlich. Chemotherapie, Bestrahlung und möglicherweise eine Amputation der Brust stellen für die Betroffenen eine grosse körperliche und psychische Belastung dar. Um darauf hinzuweisen, wurde der Oktober zum internationalen Brustkrebsmonat erklärt. Mit Aktionen, Plakaten und nicht zuletzt der rosaroten Schleife soll Solidarität mit den Betroffenen gezeigt und die Notwendigkeit von regelmässigen Kontrollen ins Bewusstsein gerückt werden.
«Die Diagnose war ein Schock», sagt Sabine Gruber*, wenn sie daran zurückdenkt, wie ihr 2009 mitgeteilt wurde, dass sie Brustkrebs hat. Heute ist die 55-Jährige wieder gesund. Doch ihr Leben hat sich grundlegend verändert. Chemotherapie und Bestrahlung haben sie dermassen erschöpft, dass sie sich auch beruflich neu orientieren musste.
«Ich stand vor der Wahl: Gesundheit oder Karriere.» Sie entschied: Die Gesundheit geht vor. Die erkrankte Brust wurde ihr entfernt. Gruber benutzt heute Spezial-BHs mit einlegbaren Prothesen; so sind die letzten sichtbaren Spuren der Krankheit nicht für die ganze Welt ersichtlich.
«Die Brust ist für das Körperbild einer Frau enorm wichtig. Wenn sie erkrankt oder gar amputiert wird, ist das ein einschneidendes Erlebnis für eine Patientin», erklärt Katharine Röthlisberger. Sie ist seit Januar dieses Jahres als Breast Care Nurse in der Frauenklinik am Spital Limmattal angestellt. Die «Brustpflegekrankenschwester», so die wörtliche Übersetzung, kümmert sich hier um Frauen, bei denen Brustkrebs vermutet wird oder bereits diagnostiziert wurde.
Breast Care Nurses liegen im Trend
Als Breast Care Nurse begleitet Röthlisberger die Frauen zur Brustpunktion und betreut sie nach Erhalt der Diagnose aus pflegerischer Sicht gemeinsam mit den Ärzten. Sie händigt Broschüren aus, weist auf Selbsthilfegruppen hin oder berät Patientinnen bei der Wahl einer Perücke. Nach einer allfälligen Operation besucht sie die Frauen während des Spitalaufenthalts und hilft ihnen im Umgang mit einer Prothese.
Und sie zeigt auf, wie nach der erschütternden Diagnose ein Wiedereinstieg ins normale Leben gelingen kann. «Ein grosser Teil meiner Arbeit besteht darin, den Patientinnen zu erklären, dass Brustkrebs für sie nicht das Ende bedeutet», so Röthlisberger. Denn die Motivation, die Krankheit zu bekämpfen, sei für den Heilprozess von grösster Bedeutung.
Der Beruf der Breast Care Nurse steckt hierzulande noch in den Kinderschuhen. Doch immer mehr Spitäler leisten sich eine Fachperson, die nur für Brustkrebspatientinnen da ist. Gemäss dem Schweizer Verband der Breast Care Nurses haben bereits über 20 Kliniken eine solche Spezialpflegefachfrau unter Vertrag.
Die Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften bietet für die Fachrichtung Weiterbildungsmodule an, die Röthlisberger absolvierte. Ihre Anstellung als Breast Care Nurse umfasst 20 Stellenprozente, weitere 40 arbeitet die diplomierte Pflegefachfrau im Ambulatorium der Frauenklinik. So kann sie sich wenn nötig auch ausserhalb ihres Breast-Care-Tages um die Frauen kümmern.
Die Breast Care Nurse ergänzt die Arbeit des Pflegepersonals sowie der Ärzteschaft, die zwischen Operationen und Konsultationen manchmal zu wenig Zeit für eine umfassende Begleitung der Patientinnen findet. «Wir haben festgestellt, dass die ärztliche Betreuung alleine nicht ausreicht», sagt Ulrike Knödlstorfer, Co-Chefärztin der Frauenklinik am Spital Limmattal. «Die Brustkrebspatientinnen brauchen eine Vertrauensperson, der sie sich mit all ihren Ängsten und Problemen öffnen können.»
Keine psychologische Fachfrau
Röthlisberger kann sich Zeit für die Patientinnen nehmen und hat stets ein offenes Ohr für ihre Anliegen. Teil ihrer Ausbildung war auch der Umgang mit den Auswirkungen auf die Psyche der Betroffenen. Hat die Erkrankung oder deren Behandlung schwerere psychische Folgen wie Depressionen, zieht Röthlisberger aber einen Psychoonkologen hinzu. «Ich habe Grundkenntnisse, doch ich bin keine Fachfrau», sagt sie.
Bei Bedarf steht Röthlisberger auch Männern mit Brustkrebs bei. Weil diese aber nur knapp ein Prozent aller Patienten ausmachen, gibt es für sie wenig spezifische Beratungsangebote. Selbsthilfegruppen gibt es für sie in der Schweiz zum Beispiel keine. «Sie werden mit der Diagnose schon ein bisschen alleine gelassen», sagt Röthlisberger.
Als bei Sabine Gruber Brustkrebs festgestellt wurde, gab es im Spital Limmattal noch keine Breast Care Nurse. Trotzdem hat sie sich immer gut aufgehoben gefühlt. Das neue Angebot empfindet sie als sehr sinnvoll. Dass sie als Patientin beim Prozess begleitet und gut darauf vorbereitet wurde, was passieren kann, sei für sie sehr wichtig gewesen. «Es ist toll, dass nun genau dafür eine Stelle geschaffen wurde.»
*Name geändert