Schokolade
Bei der Schokolade mögens die meisten konservativ

Weshalb die In-Zürcher heute wieder Milchschokolade essen, die beste Kakaobohne Criollo heisst und die Touristen nur ein Auge auf echte Schweizer Schoggi haben. Franziska Goessler weiss es.

Flavio Fuoli
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Schokolade-Expertin Franziska Goessler.

Schokolade-Expertin Franziska Goessler.

Flavio Fuoli

So könnte das Paradies aussehen. Franziska Goessler steht im Laden von Aeschbach Chocolatier im Zürcher Niederdorf, einem Laden, der bis vor einem Jahr noch ihr selber gehörte. Truffes und Pralinen, wohin das Auge reicht: Truffes Vieille Prune Barrique, Champagne, Damassine, Corretto, Mokaluna, Nugat, Roma und wie die kleinen Versuchungen alle heissen. Auf der Auslage liegen griffbereit gebrochene Schokoladenstücke mit den Bezeichnungen dunkel, Sultaninen, Mandeln oder dunkel Orangeat oder dunkel Haselnüsse. Schokoladenliebhaber wähnen sich hier nur schon des Gesehenen wegen in einer anderen Welt.

Franziska Goessler

Die 46-jährige gelernte Druckingenieurin aus Uitikon kam durch Zufall
zur Schokolade. Sie lebt in einer Beziehung und hat drei Kinder. Ihre Hobbys sind Schokolade und Familie. Daneben läuft sie auch Marathon («Wegen der Schoggi», lacht sie). Sie besitzt seit einem Jahr den Schweizer Pass und engagiert sich in Uitikon seit 15 Jahren im Vorstand des
Elternvereins. (fuo)

Seit 2007 arbeitet die Schokoladenfachfrau aus Uitikon hier. Auf Schokolade war sie durch Artikel im Magazin einer grossen Zürcher Zeitung gestossen. «Die Schoggilüge, die besten Schokoladen kommen aus der Schweiz – stimmt nicht», hiess die Quintessenz daraus, und, für die Restschweiz ganz bitter: Milch habe in der Schokolade nichts zu suchen. «Man bezeichnete Milch als Krücke, damit jedermann Schokolade kaufen kann», blickt Goessler zurück. Für sie war dies der Aha-Effekt. Bisher bloss Konsumentin, wollte sie mehr über die süsse Versuchung wissen.

Schweizer Milchschokolade bringt Erfolg

Bisher hatte sie ihre Schokolade beim Grossverteiler gekauft, wie das wohl die meisten tun. Nun aber reiste sie herum. In den europäischen Grossstädten suchte sie nach speziellen Schokoläden und fand sie. «Das will ich auch», dachte sie sich damals und gründete ihr Geschäft an der Marktgasse 9 im Niederdorf. «Der Virus war da, denn Schokolade macht grundsätzlich Freude.» Dass sie mit ihrem Laden nicht reüssiert hat, liege auch daran, dass er stilistisch zu aufwendig eingerichtet war. «Die Leute assoziieren Schokolade mit Heimat, mit Wärme, und man muss Schweizer Milchschokolade verkaufen, wenn man erfolgreich sein will.» Die nachfolgenden Besitzer reagierten. Der Laden bringt heute viel Heimeliges zur Schau, damit sich Schweizer und Touristen wohlfühlen können.

Franziska Goessler bevorzugt dunkle Schokolade, bei der ein Stück doppelt so viel Kakao enthält wie zwei Stück Milchschokolade. Sie ist sich jedoch bewusst, dass 80 Prozent der Menschen die süsse, cremige Milchschokolade bevorzugen. «Zum Schluss muss man die Schokolade einfach gerne haben», ist die Quintessenz der Schokoladenfachfrau. «Schoggi essen ist eine emotionale Geschichte. Ich brauche sie nicht, sie muss mir nur schmecken.»

Kakao aus Südamerika ist der beste

Der beste Kakao kommt für Franziska Goessler eindeutig aus Südamerika. Dort hätten sie keine Massenproduktion, sondern würden nur in kleinen Plantagen anbauen. Es gebe in Bolivien gar wild wachsenden Kakao. «Die beste Bohne ist die Criollo, eine diffizile Pflanze. Da kann es schon mal schlechte Ernten geben. Darum ist sie auch so teuer.» Daneben gibt es auch den Massenkakao, der die Industrie bedient, etwa die Sorte Forrastero.

Wenn Franziska Goessler Touristen die Vorzüge etwa der bolivianischen Kakaos erklären will, hören die jedoch lieber weg. Sie wollen gute Schweizer Schokolade, wobei auch der Preis stimmen muss. Bei den Einheimischen hat sie bemerkt, dass sie zur Milchschokolade bevorzugt Haselnüsse wünschen. «Dann ist der Schweizer glücklich.»

Sie selber liebt Schokolade natürlich auch. Doch: «Ich muss sie nicht immer essen. Wenn ich ausserhalb des Ladens bin, kann ich gut verzichten.» Nicht zuletzt rennt sie auch Marathon, um ein Gleichgewicht zwischen den Kalorien und der körperlichen Fitness herzustellen. «Mich fasziniert das emotionale, puristische an der Schokolade. Ich vergleiche gerne gute, reinsortige, schwarze Schokolade. Das ist wie beim Wein, da schmecken Bordeaux in Frankreich und den USA ganz unterschiedlich. Das bietet auch die schwarze Schokolade», benennt Goessler das Faszinierende an der süssen Versuchung.

Ist Schokolade ein Lifestyle-Produkt? «Jein», antwortet die Uitikerin. Man könne es dazu hochstilisieren, das sei jedoch nicht nötig. Bei Whisky sei das etwas anderes, da könnten nur eine begrenzte Anzahl Leute degustieren. «Bei der Schoggi kann schon der Einjährige versuchen.»

So verkauft denn Franziska Goessler, die Frau mit dem Faible für dunklen Kakao, auch ganz gewöhnliche Schokolade. «Man kann das sehen wie den Unterschied zwischen Abendkleid oder Alltagskleidung. Es muss nicht immer der teure Fummel sein. Gleich verhält es sich mit der Schokolade.» Und doch: Teuer darfs schon mal sein. So kosten 50 Gramm der Schokolade Porcelana 15 Franken. «Das ist wie mit dem 400-Franken-Wein. Den mache ich auch nicht einfach so auf», relativiert die Schokoladenfachfrau.

Die Zeiten haben sich wieder geändert, der Markt hat sich zurückentwickelt. 2005 hätten alle die ganz dunkle Schokolade verlangt. Dieser Hype habe sich wieder beruhigt. «Diejenigen, welche schon immer gerne Milchschokolade assen, getrauen sich wieder, es zu sagen. Sogar weisse Schokolade, die gar keine Schokolade ist, wird wieder verlangt», hat Goessler bemerkt. «Heute kann wieder jeder das essen, was er will.

Schokolade als Tröster

Vermehrt gegessen werde die Schokolade in Krisenzeiten, wie zum Beispiel während der Immobilienkrise im Jahr 2007, wie die Uitikerin festgestellt hat. «Dann ist die Schoggi ein Tröster. Schokolade wird aber immer gegessen, sie wird so oder so auf dem Markt bleiben.»

Franziska Goessler empfiehlt den Kunden denn auch, das zu essen, was sie mögen. Sie rät aber auch, sich auf das Experiment dunkle Schokolade einmal einzulassen. Aber dann selbstverständlich wieder zu dem zurückzukehren, was man am liebsten hat.

Zu Ostern verkauft auch Aeschbach Chocolatier die traditionellen Hasen. «Auch die Feinschmecker essen Hasen, denn Ostern ist sehr emotional. Man versteckt keine dunkle italienische Schoko-Tafel im Garten. Alle mögens klassisch. Der Hase ist der Inbegriff von Ostern», weiss Franziska Goessler.