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Kita-Betreiber warten weiter auf die Ausfallentschädigungen. André Woodtli vom Amt für Jugend und Berufsberatung sagt, wo es hakt.
Bei Jeannine Wiser, der Geschäftsleiterin der Kita Kribbel Krabbel in Zürich, liegen die Nerven blank. Zunächst das wochenlange Hin und Her, wer nun wie entschädigt wird und ob überhaupt, dann haufenweise komplizierte Formulare, die bis zum 17. Juli ausgefüllt und eingereicht werden mussten.
Rund 120 Stunden Aufwand hat Wiser gehabt und zusätzlich ihre Treuhänderin und einen Juristen beschäftigt. Für all das bekommt sie nichts. «Man missbraucht uns als Arbeits- und Zahlstelle», sagt Wiser. Dabei hätten doch eigentlich Eltern, die ihre Kinder nicht mehr in die Kita brachten, den Schaden. Sie sollten sich daher auch um eine Rückerstattung vom Kanton bemühen müssen.
Jetzt bürde der Staat den Kitas den administrativen Aufwand auf. Komme das Geld irgendwann bei ihr an, müsse sie es dann an die Eltern weiterleiten und nochmals stundenlang Zahlungsverbindungen erfassen. «Viel einfacher wäre es gewesen, die Eltern hätten ihren Schaden auf einer elektronischen Plattform des Kantons geltend gemacht», sagt Wiser. Bei den Kitas hätte man dann mit zusammengetragenen Listen überprüfen können, ob die Selbstdeklarationen der Eltern korrekt sind. Mit ihrer Kritik und ihrem Frust sei sie nicht allein.
André Woodtli: Ich habe sehr grosses Verständnis für Frau Wiser. Die Gesuchsformulare sind aufwendig, und der vom Bund vorgegebene Zeitplan ist sehr ehrgeizig. Wir stecken aber alle in einer herausfordernden Situation. Im Kanton Zürich sind von Gesetzes wegen eigentlich die Gemeinden und nicht der Kanton für die Kitas zuständig. Nun hat der Bund entschieden, dass die Ausfallentschädigungen über die Kantone abgewickelt werden müssen. Der Regierungsrat betraute daraufhin das Amt für Jugend und Berufsberatung mit dieser Aufgabe.
Es handelt sich um eine geteilte Verantwortung, wobei der Bund verbindliche Vorgaben macht und wir diese umsetzen müssen. Dabei hat uns das Bundesamt für Sozialversicherungen ein Musterformular für die Gesuche zur Verfügung gestellt.
Ganz und gar nicht. Wir haben umgehend eine Hotline eingerichtet und beraten die Kitas seit Wochen intensiv. Die Kitas sind sehr dankbar für diese unkomplizierte und persönliche Hilfe.
Wir mussten uns zuerst organisieren und mit den bestehenden Ressourcen eine neue Anlaufstelle aufbauen. Engpässe liessen sich leider nicht vermeiden. Um möglichst allen Betroffenen weiterhelfen zu können, haben wir die häufigsten Fragen und Antworten auf unserer Website publiziert.
Im Kanton Zürich gibt es über 700 Kitas. Wir haben rund 780 Gesuche gezählt. Darunter auch solche von Kinderhorten, Mittagstischen und Tagsfamilienorganisationen, die ebenfalls einen Anspruch auf eine Ausfallentschädigung haben, sofern sie nicht von der öffentlichen Hand betrieben werden.
Die Höhe variiert je nach Finanzierungsmodell und Auslastung der einzelnen Institution. Momentan sind wir noch mit Hochdruck an der Bearbeitung aller Gesuche und können noch keine Aussage zur Entschädigungshöhe machen.
Aufgrund der knappen Zeitvorgaben wurden viele Entschädigungsgesuche nicht korrekt ausgefüllt oder unvollständig eingereicht. Da die benötigten Angaben jedoch verbindlich vorgegeben sind, mussten wir diese nachfordern.
Im Gegenteil! Bund, Kanton und Gemeinden sind sich der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung der Kitas bewusst und daran interessiert, dass diese für ihren ausserordentlichen Aufwand entschädigt werden. Allerdings werden für die Ausfallentschädigung Steuergelder eingesetzt, und da ist es nichts als legitim, diese basierend auf einer sorgfältigen, seriösen Prüfung zu verteilen.
Der Aufwand ist immens. Innert weniger Tagen mussten wir eine neue Abteilung auf die Beine stellen. Mitarbeitende aus anderen Abteilungen wurden kurzfristig umgeteilt, andere halfen aus, verzichteten auf Sommerferien und leisteten enormen Mehraufwand. Der Kanton hat bis Ende Oktober Zeit, die Unterlagen vollständig beim Bund einzureichen, andernfalls verlieren wir den Anspruch auf die Bundesmittel. Das setzt uns zeitlich unter Druck.
Bis jetzt nicht. Im Moment werden die erforderlichen Verfügungen erstellt. Wir sind sicher, dass die ersten Auszahlungen im Oktober erfolgen werden. Es kann aber Ende Jahr werden, bis alle Kitas ihre Entschädigung erhalten haben.
Der Bund hat 65 Millionen Franken gesprochen. Damit will er ein Drittel der Entschädigungen abdecken.
Der Rest soll vermutlich hälftig zwischen Kanton und Gemeinden aufgeteilt werden.
Man könnte sich überlegen, ob es einfacher gewesen wäre, die Eltern direkt zu entschädigen. Allerdings wären sicherlich auch bei einem solchen Vorgehen viele Umsetzungsfragen aufgetaucht. In der Krise muss man schnell entscheiden, ohne alle Vor- und Nachteile umfassend abwägen zu können. Das liegt auch in der Natur der Sache.
Mitte März wurde entschieden, die Kitas für Eltern in systemrelevanten Berufen offen zu halten. Eltern in nicht-systemrelevanten Berufen waren dagegen aufgefordert, ihre Kinder wenn möglich zu Hause zu betreuen. Es blieb uns damals wenig Zeit, um die Konsequenzen dieser Massnahme vertieft zu klären.
Aus epidemiologischer Sicht war das sicher richtig. Das primäre Ziel war es ja, die Verbreitung des Virus einzudämmen. So haben sich viel weniger Erwachsene bei der Übergabe der Kinder getroffen. Zudem wusste man damals noch nicht, ob Kinder Virenschleudern sind.
Wir stehen heute an einem ganz anderen Punkt als noch im März. Heute wissen wir, dass Kinder schlechte Überträger des Coronavirus sind und selber kaum einen schweren Verlauf durchmachen. Die Erwachsenen können Schutzmasken tragen und Abstand halten. In den Kitas gibt es Schutzkonzepte. Auch ein Contact-Tracing über den kantonsärztlichen Dienst ist installiert. Kommt eine zweite Welle, können die Kitas ihren Betrieb nach heutigem Wissensstand aufrechterhalten.