Bergdietikon
«Hintermatt»-Gegner wurde von abgelehnter Beschwerde doppelt überrascht

Gegner und Gemeinde haben nicht erwartet, dass der Kanton zum geplanten Bergdietiker Alterszentrum so schnell einen Entscheid fällt.

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Das «Hintermatt» mobilisiert: Gemeindeversammlungen und Infoanlässe zum Alterszentrum zogen immer viele Bewohner an.

Das «Hintermatt» mobilisiert: Gemeindeversammlungen und Infoanlässe zum Alterszentrum zogen immer viele Bewohner an.

Tobias Hänni

«Wie auch bei anderen Beschwerden scheint mir das Departement Bau, Umwelt und Verkehr eher auf der Seite der Gemeinde zu stehen», sagt einer der Beschwerdeführer gegen das geplante Alterszentrum Hintermatt in Bergdietikon. Am Mittwoch wurde bekannt, dass der Kanton Aargau seine und eine weitere Beschwerde gegen den Gestaltungsplan Hintermatt in erster Instanz abgelehnt hat. Der Gestaltungsplan sei zonenkonform und der öffentliche Zweck sichergestellt, argumentierte das kantonale Departement.

Nachdem der Gemeinderat im Dezember 2019 den Gestaltungsplan genehmigt hatte, reichte der Bergdietiker zusammen mit einigen weiteren Personen Beschwerde ein. Auf gut 40 Seiten legten sie dar, wieso der Gestaltungsplan aus ihrer Sicht aufzuheben ist. Ein zweiter Beschwerdeführer hatte sogar eine 80-seitige Schrift gegen den Gestaltungsplan eingereicht. Er wolle sich erst ein endgültiges Urteil bilden, nachdem er die Entscheidbegründung in Ruhe gelesen habe, sagt der Projektgegner. Aber er sei durchaus überrascht über die Ablehnung. Und auch darüber, dass der Kanton bereits so kurz, nachdem die Gemeinde ihre Antwort eingereicht hatte, über den Fall urteilte. «Das hätte ich nicht für möglich gehalten», sagt er. Es verstärke den Eindruck, dass das kantonale Departement nicht neutral genug entschieden habe und der Gemeindeautonomie alles zugestehe.

«Wir waren positiv überrascht, dass es so schnell ging», sagt Gemeindeschreiber Patrick Geissmann. «Wir haben erst Anfang nächsten Jahres mit einem Entscheid gerechnet.» Die Gemeinde hätte ihre Duplik zwar erst ­Mitte Oktober eingereicht, aber aufgrund der umfangreichen Beschwerde und des umfassenden Schriftenwechsels seien schon viele Themen aufgeworfen worden, sagt er. Zur Erklärung: Nach der Antwort auf eine Beschwerde erhält der Beschwerdeführer die Gelegenheit zu einer Replik. Als Reaktion auf diese kann die Gegenseite eine zweite Antwort, die sogenannte Duplik, schreiben.

Gegner kritisiert, dass der Bedarf schon jetzt gedeckt werden könne

Geplant sind auf der Wiese am Waldrand im Ortsteil Kindhausen ein Pflegezentrum mit 45 Pflegeplätzen und 64 Alterswohnungen. «Das ist jenseits unseres Bedarfs», sagt der Projektgegner. Gemäss der kantonalen Clearingstelle, die den Zahlungsverkehr für die Langzeitpflege sicherstellt, seien in den letzten Jahren nur 15 Bergdietiker auf einen Pflegeplatz angewiesen, präzisiert er. Diese Anzahl Betten stehe bereits im Wohn- und Pflegeheim Egelsee zur Verfügung. «Zudem stehen mehrere der günstigen 18 Alterswohnungen der Gemeinde seit längerer Zeit leer», sagt er. Die Gemeinde spricht von 20 bis 30 Personen, die einen Pflegeplatz benötigen. Weil ein Teil nur kurz pflegebedürftig sei, schwanke die Zahl, sagt Geissmann. Aber der Bedarf werde sicher steigen: Die demografische Entwicklung zeige, dass der ältere Teil der Bevölkerung zunehme. «In Bergdietikon wohnen Leute, die auf Pflegeplätze warten. Wir werden immer wieder angefragt», sagt Gemeindeammann Ralf Dörig (FDP).

Dass eine übergeordnete Instanz den Zonenplan als konform eingestuft hat, sei ein Meilenstein, sagt er. Dennoch reagiert er verhalten positiv auf den Entscheid des Departements Bau, Umwelt und Verkehr. Jeder positive Entscheid sei bei einem Projekt mit so vielen Einwendungen und Verfahren eine Bestätigung, dass die Gemeinde gute Arbeit leiste. «Aber wir müssen leider davon ausgehen, dass der Entscheid, obwohl dieser eindeutig ausgefallen ist, von der Gegnerschaft nicht akzeptiert wird», sagt Dörig.

Ein Weiterzug ist «nicht ­unwahrscheinlich»

Der Gemeinderat habe den Auftrag von der Bevölkerung, das Projekt voranzutreiben und es zu realisieren. 2012 genehmigte die Gemeindeversammlung den Verkauf des benötigten Lands an die Oase Holding AG, die das Alterszentrum bauen und betreiben wird. 2016 lehnte es die Gemeindeversammlung ab, noch mal auf das Geschäft zurückzukommen.
Noch ist die Ablehnung der Beschwerden nicht rechtskräftig. «Wir werden das Urteil nun zuerst analysieren müssen», sagt der Beschwerdeführer. Einen Weiterzug ans Verwaltungsgericht und im Falle einer erneuten ­Ablehnung möglicherweise bis ans Bundesgericht sei aber nicht unwahrscheinlich.