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Die in Boppelsen aufgewachsene Lea Herzig bezeichnet sich als Kampflesbe und fordert gleiche Rechte für alle Menschen. Die 33-Jährige ist Präsidentin des Zurich Pride Festivals, das am 14. und 15. Juni stattfindet.
Lea Herzig: Ja, unbedingt. Wir haben immer noch nicht die Ehe für alle. Es gibt wesentliche Unterschiede zwischen der eingetragenen Partnerschaft und der zivilen Ehe. Es gibt auch wahnsinnig viel zu tun auf rechtlicher Ebene und bei der Akzeptanz von Transgender-Personen, also Menschen, die sich nicht vollständig dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zuordnen oder die das bei ihrer Geburt zugeordnete Geschlecht nicht so empfinden.
Ich gehöre zu den glücklichen Menschen, die ein unkompliziertes Outing erlebt haben. Besonders meine Familie hat den Fakt, dass ich eine Freundin heimgebracht habe und nicht einen Freund, eigentlich ganz banal gefunden. Sie haben meine damalige Freundin sofort in die Arme geschlossen, und es war völlig selbstverständlich, dass sie an die Familienfeste mitkam und Teil meines Lebens war.
Nein, ich habe nie spürbare Homophobie erlebt.
Einzig im damaligen Fussballclub in Zürich Oerlikon: Da hat man mir nahegelegt, dass ich mich unter der Dusche mit anderen Frauen zurückhalten solle. Man unterstellte mir dabei, ich sei pädophil. Eine etwa 50-jährige Person hat mich behandelt, als wäre ich mit einer Krankheit behaftet.
Leider nein. Das Pendel scheint sogar etwas zurückzuschwingen, besonders in gewissen Kulturkreisen. Es ist vielleicht sogar schwieriger geworden, sich heute als junge Person zu outen.
Auf jeden Fall. Die Vorurteile gegenüber lesbischen Frauen und schwulen Männern sind zwar andere. Ich erlebe relativ häufig Sexismus in Bezug auf mein Lesbischsein. Durch Sprüche von Männern wie etwa: «Geil, kann ich mal mitmachen? Oder darf ich zuschauen?» Bei den Männern hingegen ist das Schimpfwort «schwule Sau» noch heute gang und gäbe.
Ja, die Stadt ist anonymer als zum Beispiel Boppelsen, wo man jeden Namen kennt. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass ich Schutz für den Alltag brauche. Wie gesagt, ich habe selten reale Diskriminierung erlebt. Was mich vor allem antreibt, ist die störende Diskriminierung im Rechtssystem und dass wir als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Meine Partnerin und ich wohnen zusammen, und ich möchte, dass der Staat uns anerkennt, genauso wie wenn ich mit einem Mann zusammen wäre.
Es wäre wünschenswert, wenn der Schutz vor Hasskriminalität ausgeweitet würde. Die Antirassismusstrafnorm bezieht sich heute nur auf Hassreden wegen Rasse, Ethnie und Religion. Sie sollte aber auch homo-, bisexuelle und Transgender-Menschen schützen. Das Parlament will den Schutz ausweiten, aber es wurde das Referendum dagegen eingereicht.
Ob ich das später beruflich mache und dafür das ehrenamtliche Engagement aufgebe, weiss ich noch nicht.
Der Verein Zurich Pride Festival fordert, dass niemand in der Schweiz aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität diskriminiert wird. LGBTIQ steht für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Intersexual, Queer, also Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transgender, Intersexuelle und Queer. Transgender sind Menschen, deren Geschlechtsidentität von dem Geschlecht abweicht, dem sie zu Beginn ihres Lebens zugewiesen wurden. Intersexuelle können und/oder wollen sich nicht einem Geschlecht zuordnen. (anb)
Für mich ist es im Moment eine sehr befriedigende Tätigkeit in der Pride. Es kostet mich enorm viel Zeit und Energie und unter dem Strich eigentlich auch Geld, weil ich daneben nichts anderes arbeiten kann. Aber das ist es mir wert.
Die Bewegung hat ein riesiges Wachstum erlebt. Am Anfang startete sie als Aufstand gegen Polizeigewalt und Willkür. Vor 50 Jahren hat man noch dafür gekämpft, nicht als krank abgestempelt zu sein. In den 1980er-Jahren standen HIV und Aids im Fokus. Dann sind frauenrechtliche Bewegungen dazugekommen. Heute sind viele Menschen dabei, weil sie sich gegen Diskriminierung einsetzen wollen.
Grundsätzlich jeder Mensch, der sich so definiert. Ein wichtiger Aspekt unserer Bewegung ist, dass man andere Menschen nicht in Schubladen stecken soll. Man soll die Person einfach fragen, wer sie denn ist. Auch wenn ich zum Beispiel mein Gegenüber als Frau lese, muss das nicht heissen, dass sie oder er sich auch so fühlt. Auch asexuelle Menschen können sich als queer verstehen, aber man muss sie fragen.
Sie wird grösser sein. Schon die letzten zwei, drei Jahre auf dem Kasernenareal sind wir an die Kapazitätsgrenzen gestossen. Wir sind ein Gratis-Festival und bieten ein wahnsinnig attraktives Musikprogramm. Das alleine lockt viele Besuchende an.
Unter dem Motto «Strong in Diversity» feiert die Zurich Pride 2019 ihr
25-Jahr-Jubiläum. Dieses Jahr sind es auch exakt 50 Jahre her, seit die LGBTIQ-Bewegung bei den Stonewall-Unruhen in New York ihren Anfang nahm. Die ersten gewalttätigen Auseinandersetzungen fanden in der Nacht vom 27. Juni 1969 statt, als Polizeibeamte eine Razzia im Stonewall Inn durchführten, einer Bar mit homosexuellem und Transgender-Zielpublikum in der Christopher-Street im damaligen Schwulenviertel Greenwich Village. An dieses Ereignis wird jedes Jahr weltweit mit dem Christopher-Street-Day erinnert. Der Stonewall-Aufstand führte zur Neuorientierung der Bewegung: Während es bis dahin um die Entkriminalisierung von Schwulen, Lesben und Queers ging, steht seit dem Aufstand ein neues Selbstbewusstsein im Vordergrund: Homosexuelle und Transgender sind stolz auf sich selbst, ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität und feiern diesen Stolz
(englisch: pride) seither auch öffentlich. (anb)
Jetzt im 2019 werden wir effektiv nochmals ein Stück grösser, alleine durch die beiden Plätze mitten in der Stadt Zürich. Das ist natürlich eine Herausforderung, aber ich sehe da eine grosse Chance, dass wir ganz viele Reisende und Stadtbesucher anziehen können, die sonst nicht extra auf das Kasernenareal kommen würden. So ergeben sich vielleicht Gespräche, um Berührungsängste abzubauen.
Schwierige Frage. Wir kalkulieren mit 50'000 Menschen über die zwei Tage, wobei das Kernstück unsere Demonstration ist, die am Samstag stattfindet. Da rechnen wir mit über 20'000 Menschen, letztes Jahr hatten wir 22'000, und ich gehe davon aus, dass dieses Jahr nochmals mehr kommen.
Es sind gegen 1000 Stunden im Jahr, die ich ehrenamtlich für den Verein investiere. Hinter mir steht ein Team, im Vorstand leisten viele Leute ähnlich viele Stunden wie ich. Es gibt ein OK mit nochmals rund 25 Menschen.
Ja, und wie! Wir arbeiten elf Monate intensiv auf diesen Moment hin und können es kaum erwarten, dass es losgeht. Ich habe auch als Polizistin im Einsatz nie einen friedlicheren Grossanlass wie die Pride erlebt. Daher ist es eher grosse Vorfreude als Nervosität.
Grundsätzlich gehören die beiden Tage des Pride Festival mit der Demonstration zu meinen schönsten im ganzen Jahr. Es ist immer eine riesige Erleichterung zu sehen, wenn alles läuft und ich all die Zehntausenden von fröhlichen Gesichtern sehe. Die Freude der anderen zu erleben, da kann ich so richtig darin abtauchen. Ich weiss, wir tun der Welt etwas Gutes mit dem Anlass.
Das Zurich Pride Festival findet am Freitag und Samstag, 14. und 15. Juni, auf dem Sechseläutenplatz und der Stadthausanlage beim Bürkliplatz statt. Am Freitag, 16 bis 24 Uhr, und Samstag, 11 bis 24 Uhr, gibt es musikalische Acts und DJs, Infostände und eine Politikbühne sowie Essensstände und Bars. Der Demonstrationsumzug ist am Samstag, 15. Juni, und startet um 13.45 Uhr beim Helvetiaplatz. Die Route führt über den Stauffacher über die Bahnhofstrasse zur Stadthausanlage. (anb)