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Psychotherapeutin Christine Hefti aus Urdorf hilft Menschen in persönlichen Krisen. Im Interview gibt sie Tipps, wie man den Corona-Notstand am besten durchsteht und erklärt, dass die Entschleunigung auch eine Chance sein kann.
Korbstühle mit weissen Polsterkissen und ein orientalisch anmutender Teppich erwarten Patientinnen und Patienten in der Psychologischen Praxis von Christine Hefti in Dietikon. An der Wand hängt eine weisse Tafel, Stifte liegen bereit. Hier führt die Urdorferin seit 20 Jahren Psycho- und Paartherapien durch. Hefti nimmt auch psychologische Abklärungen bei Kindern vor, bietet Elterncoachings und berät Familien. Aufgrund des Corona-Notstands arbeitet die Psychotherapeutin mit gebührend Abstand. «Zudem setzte ich vermehrt auf Telefon- oder Videoanrufe. Im Moment berate ich viel online.» Mehr Anfragen habe sie aufgrund der Krise jedoch nicht. Beruflich gehe das Leben mehr oder weniger normal weiter. «Privat muss ich mich jetzt natürlich einschränken. Das betrifft den Kontakt mit Freunden und die Ferienplanung.»
Christine Hefti: Jeder geht mit der Corona-Krise so um, wie es seinem Charakter und seinem Lebensplan entspricht. Ängstliche oder pessimistische Personen sind eher geneigt, in Panik zu verfallen. Sie tätigen Hamsterkäufe und denken ständig an Horrorszenarien, während positiv gestimmte Menschen ruhiger bleiben und das Beste aus der Situation machen. Letztere sind generell besser davor geschützt, krank zu werden.
Eine positive Lebenseinstellung trägt neben vielen anderen Faktoren zu einem guten Immunsystem bei, was die Abwehrkräfte stärkt. Damit kann das Virus besser bekämpft werden und die Krankheit bricht gar nicht erst aus oder zeigt nur milde Symptome.
Die Notlage kann prekäre Situationen zuhause begünstigen, muss aber nicht. Die Krise kann auch Entschleunigung bedeuten, mehr Ruhe, mehr Zeit füreinander. Für die Organisation zuhause sind Abmachungen hilfreich, die in einer wohlwollenden Stimmung besprochen werden, bevor es eskaliert und man sich ständig anzickt.
Es kann sein, muss aber nicht. Im Gegenteil kann eine aktuelle Bedrohung von aussen auch dazu führen, dass man näher zusammenrückt. Man hat einen gemeinsamen unsichtbaren Feind. Eingeschränkte Freiheiten machen einiges einfacher. Wenn alles zu ist, gibt es auch keine Diskussionen darüber, ob und wie lange die Partnerin oder der Partner fortgehen soll. Der Mensch ist grundsätzlich ein soziales Wesen. Abschottung und Isolation tun uns nicht gut. Das macht reizbar und traurig.
Solange die Krise nicht zu existenziellen Ängsten führt, kann sie eine sehr gute Chance für ein Innehalten sein. Eine Krise sorgt aber auch immer für Verunsicherung. Niemand weiss, wie es weitergeht. Daher überwiegt eher Stress als Entspannung.
Christine Hefti ist in Zürich Höngg aufgewachsen. Sie studierte an der Uni Zürich Psychologie, Psychopathologie und Pädagogik. Bevor sie ihre Praxis in Dietikon eröffnete, war sie lange für einen kinder- und jugendpsychiatrischen Dienst tätig. Für die «Schweizer Familie» betreut sie die Rubrik «Lebensberatung». Zudem führt sie den Blog «Lebenstipps.ch». Hefti lebt mit ihrer Tochter in Urdorf. (sib)
Wir sollten mit unseren Freunden über unsere Ängste sprechen und unsere Kontakte pflegen. Zum Glück sind wir heutzutage alle per Handy miteinander verbunden. Auch ist es wichtig, eine positive Einstellung zu bewahren und für Momente der Lebensfreude im Alltag zu sorgen. So sollte man zum Beispiel nur einmal am Tag Informationen zur aktuellen Lage konsumieren und seinen Geist mit anderen Dingen beschäftigen. Wir können uns zuhause weiterbilden, ein gutes Buch lesen, die Wohnung umstellen, Dinge tun, die wir schon lange einmal vorhatten.
Das wäre eine Katastrophe. Denken Sie nur an Familien mit Kindern, die auf engem Raum zusammen eingesperrt wären, gerade jetzt, wo es wärmer wird und die Sonne scheint. Das führt nicht nur zu mehr Konflikten, sondern bestimmt auch zu mehr Stress und Depressionen.
Während der Beratung lasse ich mich ganz auf die Menschen ein und fühle mit ihnen mit. Nach drei Jahrzehnten als Psychotherapeutin verfüge ich über so viel Erfahrung, dass mir eine professionelle Distanz keine Mühe bereitet. Auch hier gilt: Nicht immer an Probleme denken, sondern sich bewusst schöne Dinge und gute Gedanken ins Leben holen. Ich erhole mich durch die Bewegung in der Natur oder wenn ich mich mit Freunden treffe.
Wenn Kinder oder Jugendliche von Gewalt betroffen sind, geht mir das immer nahe. Da muss man meist klare Massnahmen treffen. Aber ich arbeite lösungsorientiert und so sehe ich in jeder Situation eine Chance und in jedem Menschen Ressourcen. Das Ziel ist stets, die Klienten zu stärken. Es ist sehr erfüllend, Menschen helfen zu können.