Alexandra Freund erforscht die Lebensziele und Lebenszufriedenheit von Erwachsenen. Und sagt: Es ist wichtiger was unser soziales Umfeld gut findet - als die Normvorstellungen die in einem Land herrschen. Und sie sagt, ob Väter tatsächlich besser loslassen können.
Niemand unter den Eltern bereut, wie die Betreuungs- und Jobzeit aufgeteilt war. Wenn rückblickend alles gut ist, warum wird dann die Aufteilung so heftig diskutiert?
Alexandra Freud: Aus der Psychologie kennen wir diesen Effekt: Das Erleben während einer Tätigkeit kann sich stark von der Beurteilung danach unterscheiden. So werden Ferien im Nachhinein deutlich positiver eingeschätzt. Ein Grund dafür ist die zeitliche Distanz, aus der man eher das erinnert, was bei dem Ereignis besonders wichtig und zentral war. Auch nach den Kinderjahren erinnert man sich an die Essenz der Zeit mit den Kindern und jener der Arbeit, nicht an nervige Kleinigkeiten. Also alles Schöne, Emotionale, das Befriedigende beider Bereiche. Wer denkt da noch an den Tag, als man tausend Dinge gleichzeitig machen musste und total gestresst war, weil man nicht wusste, wie man gleichzeitig das Kind von der Kita abholen und bei der Sitzung das eigene Projekt vorstellen sollte. Wenn das Grosse Ganze positiv war, führt dies zu einer positiven Einschätzung der Aufteilung von Beruf und Familie.
Ist also alles halb so schlimm?
Na ja, es ist dennoch ein grosses Thema, wie man nicht nur im Nachhinein alles gut gelungen sieht, sondern schon währenddessen zufrieden und nicht überlastet ist. Das ist nicht einfach. Viele Eltern erleben während der Doppelaufgabe eine hohe Belastung. Aber viele berichten auch von einer wechselseitigen Bereicherung, die auch daher rührt, dass die beiden Lebensbereiche so komplementär sind und ganz unterschiedliche Anforderungen mit sich bringen.
Haben arbeitende Eltern also eher ein ausgefüllteres Leben?
Generationen unterscheiden sich darin, was sie für eine gute zeitliche Aufteilung halten. Diese Vorstellungen bestimmen stark mit, wie zufrieden man damit ist, wie das Leben gestaltet ist. Wenn man erwartet, mindestens so viel Freizeit wie Arbeitszeit zu haben, dann ist ein Arbeitstag von acht Stunden letztlich zu lang, weil es einem nicht genauso viel Zeit mit Hobbys gestattet, wenn man auch noch den Haushalt machen muss. Wenn man die Arbeit als integralen Teil des Alltags sieht und Hobbys als netten Ausgleich, kann auch ein 10-Stunden-Arbeitstag eine gute Work-Life-Balance darstellen.
Gilt das auch für die ersten Jahre mit Kleinkindern?
Eltern mit kleinen Kindern erleben etwas mehr Konflikte zwischen Beruf und Familie, aber es ist nicht so, dass sie unbedingt eine schlechtere Balance zwischen Arbeit und dem Rest des Lebens hätten. Auch hier: Es gibt weniger Unterschiede zwischen Eltern und kinderlosen Personen, als man denkt. Kinder werden von vielen als grosse Bereicherung empfunden, aber sich um sie kümmern zu müssen, kann im Alltag auch wenig erfüllend sein, wenn man ständig aufräumen und mehrere Mahlzeiten am Tag servieren muss.
Können wir abseits der gesellschaftlichen Norm glücklich leben? Also als Hausmann, Hausfrau oder Karrieremutter?
Gesellschaftliche Normen sind auf der einen Seite mit sozialer Anerkennung verbunden, wenn man ihnen gerecht wird, und mit Missbilligung, wenn man stark von ihnen abweicht. Insofern üben sie einen grossen Einfluss darauf aus, welche Optionen wir überhaupt in Betracht ziehen, und auch, ob wir damit glücklich werden. Doch noch wichtiger sind die Normen der eigenen sozialen Gruppe. Es mag also durchaus sein, dass ein recht traditionelles Bild vorherrscht, Freunde und Familie aber grossen Wert auf die Karriere der Frau legen oder Hausmänner wunderbar finden. Es ist wahrscheinlicher, dass Personen, die in Einklang mit ihrem sozialen Umfeld leben, sich wohlfühlen. Aber man kann auch generell glücklich sein, wenn man gegen Normen verstösst, aber nach den eigenen Werten lebt.
Stimmt es, dass Väter weniger diese innere Zerrissenheit haben, wenn sie Kinder und Job wollen?
Entgegen dieser landläufigen Auffassung gibt es wenig empirische Evidenz, die einen Geschlechtseffekt zeigt.