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Eine britische Studie hat gezeigt, dass Corona-Genesene häufiger eine psychische Krankheit entwickeln. Am meisten diagnostiziert wurden Angststörungen. Doch die Resultate sind mit Vorsicht zu betrachten.
Eine von drei Personen entwickelt nach einer Corona-Infektion eine psychische Erkrankung oder eine Hirnstörung. Das stellten britische Forscher fest, die anfangs Woche eine Studie publiziert haben.
34 Prozent von den rund 236'400 Corona-Genesenen hatten innert eines halben Jahres nach der Infektion eine psychische Erkrankung. Am häufigsten wurden mit 17 Prozent Angststörungen diagnostiziert. Auf Platz zwei und drei folgen Stimmungsstörungen sowie Substanzmissbrauch.
Neurologische Krankheiten wie Schlaganfälle oder Demenz waren zwar seltener, aber doch auffällig bei Personen, die schwer während der Covid-19-Infektion erkrankt waren. «Je schwerer der Verlauf von Corona war, desto eher hatte eine Person im Nachhinein psychische Probleme», sagt Co-Studienautor Maxime Taquet von der Universität Oxford.
Die Studie, die im «The Lancet Psychatry» erschien, ist die bisher grösste ihrer Art. Die Forscher:innen verglichen rund 236'400 Covid-Patient:innen mit gut 300'000 Personen, die entweder eine Grippe oder eine andere Atemwegsinfektion hatten. Dabei waren alle etwa im gleichen Zeitraum krank, sprich während der Pandemie.
Die Wissenschaftler:innen stellten fest, dass die psychischen Erkrankungen bei den Corona-Genesenen weit häufiger diagnostiziert wurde. So sei die Wahrscheinlichkeit um 16 Prozent höher als nach anderen Atemwegsinfektionen und um 44 Prozent höher als bei Menschen, die sich von einer Grippe erholten.
So schliesst der Studienautor Taquet aus, dass die Hirnerkrankungen und psychischen Probleme aufgrund der allgemeinen Pandemie-Situation auftreten:
«Unsere Studie zeigt, dass Menschen eher an einer psychischen oder neurologischen Krankheit leiden, nachdem sie Covid-19 hatten.»
Ob das Virus die psychische Krankheit verursacht, kann Taquet allerdings nicht sagen. «Die Studie zeigt, dass sich die Krankheit auf die psychische Gesundheit auswirkt. Aber was an Covid-19 genau der Grund ist – der soziale, psychologische oder biologische Aspekt – wissen wir nicht», sagt Taquet. So könne auch der Stress, eine lebensbedrohliche Krankheit zu haben, zu psychischen Erkrankungen führen.
Taquet hält es ausserdem für möglich, dass die psychischen Krankheiten ohnehin bei diesen Personen diagnostiziert worden wären. So etwa Alzheimer. «Klar, die Demenz- und die Covid-19-Diagnose folgten aufeinander. Das kann aber auch sein, weil diese Person im Spital war und von einem Arzt untersucht wurde», sagt Taquet. Deshalb müsse man vorsichtig sein, die Resultate zu interpretieren. Die vorgestern publizierte Studie durchlief zudem noch nicht das Peer-Review.
Jedoch dürfe man sie auch nicht unterschätzen, ergänzt Taquet:
«Das individuelle Risiko einer psychischen Erkrankung nach Covid-19 mag klein sein. Aber den Effekt auf die ganze Bevölkerung könnte das Gesundheits- und Sozialwesen stark fordern.»
Die Frage, welche Schritte nun ergriffen werden sollten, beantwortet Taquet mit drei Punkten:
Ausserdem sei weitere Forschung nötig, sagt Taquet. «Die Studie konnte nicht alle Mechanismen aufdecken und weist damit auf den dringenden Forschungsbedarf hin, dass diese identifiziert werden.»