Mit seinem Horrorfilm «Get Out» erreichte Jordan Peele ein Publikum über die Genregrenze hinaus. Sein zweiter Film «Us» ("Wir") kann die Erwartungen nicht ganz einlösen.
Die ersten Kritiken zu Jordan Peeles neuem Horrorfilm «Us» waren überschwänglich. Einzig das «Rolling Stone» hielt den Daumen runter. Mit seinem Regiedébut «Get Out» war Peele an den Kinokassen äusserst erfolgreich – und er hat die Oscars aufgemischt. In vier Kategorien, auch als bester Film, war die Metapher auf den alltäglichen Rassismus in den USA nominiert; der afroamerikanische Schauspieler, Comedian und Filmemacher gewann schliesslich den Preis für das beste Originaldrehbuch.
Auch bei «Us» fungiert Peele wieder als Drehbuchautor, Produzent und Regisseur. Und auch wenn man weiss, dass der New Yorker den Horrorfilm liebt, hoffte man, dass Peele wieder ähnlich subtil vorgehen würde wie bei «Get Out». Die Horrorkomödie mit sozialkritischem Unterton war mehr wie ein Psychothriller gestrickt, wo das Blutvergiessen erst ganz zum Schluss Einzug hält – und war somit auch etwas für nicht explizite Horrorfans.
Das kann man von «Us» nicht sagen. Die Hauptfigur heisst Adelaide Wilson (Lupita Nyong’o) und hat 1986 an der Strandpromenade von Santa Cruz ein einschneidendes Erlebnis: In einem Spiegellabyrinth begegnet das Mädchen seiner Doppelgängerin. Rund dreissig Jahre später fährt die Familie Wilson in ihr Ferienhaus – und wird von ihren Doppelgängern heimgesucht. Reglos stehen sie in roten Overalls in der Einfahrt. «They are us», stellt Sohn Jason erschreckt fest. Auf die Frage: «Wer seid ihr?», stösst Adelaides Zwilling Red kehlig hervor: «We are Americans.» Das Gemetzel kann beginnen.
«Us» ist verspielter als «Get Out», dafür nicht so fokussiert. Der Film steckt voller popkultureller Anspielungen. Und die Zeichen für den sich anbahnenden Horror finden sich überall. Filmzitate gibt es en masse – die Darsteller mussten sich zehn Horrorfilme ansehen, darunter «The Shining» und «Funny Games».
Ein Bibelzitat, Jeremiah 11:11, kündigt das Desaster an, vor dem es kein Entkommen gibt – samt Jesus-Figur. Gleich am Anfang wird auf ein unterirdisches Tunnelsystem verwiesen. Das Oben/Unten, das biblische «Himmel und Hölle» kann man auf die sozialen Schichten übertragen. Gab es 1986 die Bewegung «Hands Across America», die sich mit den Armen im Land solidarisierte, ist man sich im Jetzt selbst am nächsten. Die schwarze Mittelschichtsfamilie ist befreundet mit der weissen Tyler-Familie (Elisabeth Moss u. a.), eher obere Mittelschicht.
Lustig die Szene, als sich die Wilsons zu «I Got 5 on It» von Luniz auf ihre afroamerikanischen Wurzeln besinnen. «Versuch dich im Rhythmus zu bewegen», ermuntert Adelaide ihren Sohn. Aber wissen, dass es um Drogen geht, darf er nicht.
«Us» verlässt sich beim Erzählen der Geschichte nicht auf Bilder – Erklärungen folgen. Der klassische Horror, wieder vermischt mit dem Peele-typischen Humor, erzeugt keine echte Angst. «Us» ist gut gespieltes Genrekino mit eigener Handschrift, das Raum für Interpretationen lässt. Doch die gesellschaftliche Relevanz von «Get Out», der die konkrete Erfahrung des schwarzen Mannes in Amerika spürbar machte, erreicht Jordan Peeles zweiter Film nicht.