Es waren einmal zwei Freunde. Einer wurde zum Superstar, der andere kam in den Knast. Der Superstar wollte seinem Freund helfen, denn er war doch immer so nett zu ihm. Auch wenn er Frauen vergewaltigte. Das ist die Geschichte, wie Ashton Kutcher Tausende Menschen sauer gemacht hat. Und das, obwohl er nicht der Verbrecher ist.
Ashton Kutcher hat in seiner Karriere schon einige dumme Sachen gemacht. Seine Beliebtheit gleicht einer Achterbahnfahrt: Mit Demi Moore hat er bewiesen, dass Patchwork-Familien funktionieren können, – bis er sie betrogen hat.
Er war der erste Promi, der Twitter für sich zu nutzen wusste, und stellte den ersten Follower-Rekord auf. Dann motzte er in einem Tweet über die Entlassung eines Football-Coaches, – bevor er bemerkte, dass dieser entlassen wurde, weil er pädophil war.
Er gründete eine erfolgreiche Organisation, die gegen Menschen- und Kinderhandel kämpft, und stellte dafür sogar seine Schauspielkarriere hintan. Jetzt ist er vom Vorsitz zurückgetreten, denn er hat sich das wohl tiefste Loch seiner Karriere gegraben.
Was ist passiert? Ashton und Ehefrau Mila Kunis starteten ihre Karriere in «Die wilden 70er», wo auch Danny Masterson mitspielte. Die Gruppe war nicht nur auf dem Bildschirm, sondern auch im echten Leben eng befreundet. Nun wurde Masterson wegen zweifacher Vergewaltigung zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt.
Nach der Verurteilung, aber noch bevor das Strafmass festgelegt wurde, schrieben Kutcher und Kunis sogenannte «Character Letters» an den Richter. Mit solchen Briefen versuchen Angehörige in den USA ein gutes Wort für Täter einzulegen. Dummerweise wurden die Briefe öffentlich, was Ashton und Mila gewaltig ins Füdli beisst. Und ich finde: zu Recht. Denn was sie da äussern, löst nicht nur bei mir einen Schreikrampf aus.
Kutcher nennt Masterson ein Vorbild: «Dass ich nicht in das typische Hollywood-Leben voller Drogen abgestürzt bin, habe ich einzig ihm zu verdanken.» Bemerkung am Rand: Masterson hat seine Opfer jeweils mit Drogen gefügig gemacht. Aber schön, hat er Ashton davor bewahrt. Wozu hat man denn sonst Freunde?
«Er hat Menschen immer anständig und grosszügig behandelt», schreibt Kutcher weiter. Das gilt aber natürlich nicht für seine Opfer. Dass seine Tochter nun ohne ihren Vater aufwachsen könnte, sei eine absolute Tragödie. Stimmt, und das hat der Täter ganz allein zu verantworten.
Mila Kunis bläst in dasselbe Horn und schreibt: «Seine Fürsorge und Leitung haben massgeblich zu meiner Entwicklung beigetragen.» Und da frage ich mich wirklich: Was für ein Mann in seinen Zwanzigern ist bitte schön so ein Messias? Sogar Jesus war zumindest Mitte dreissig. Aber zurück zum Thema.
Zusammengefasst sagen Kutcher und Kunis, dass Masterson doch ein netter Typ sei. Einfach, weil er ihnen nie etwas angetan hat. Und genau das ist der himmelschreiende Punkt: Sogar Serienmörder Ted Bundy konnte ein «netter Typ» sein. Wenn er nicht gerade gemordet hat, rettete er bei einer Suizid-Hotline sogar Leben und war angeblich sogar gut darin. Das ist doch auch genau der Satz, den Nachbarn immer sagen, wenn ein Verbrecher erwischt wird: «Er war so ein netter Typ.» Aber nur weil er nett zu ihnen war, heisst das nicht, dass er kein Arschloch sein kann!
Genau darüber regen sich Tausende Menschen online auf, was Ashton zu seiner nächsten blöden Entscheidung gebracht hat: Er und Mila haben sich in einem Video entschuldigt. Oder es zumindest versucht: «Wir unterstützen Opfer. Wir wollten nicht die Jury untergraben, und es tut uns leid, falls das so aufgenommen wurde.»
Und da ist es: «Falls.» So funktioniert eine Entschuldigung nicht. Genau wie es keine Entschuldigung ist, wenn man sagt «Es tut mir leid, falls du dich so fühlst.» Nein! Sag einfach «Es tut mir leid.» Übernimm Verantwortung. Tun sie aber nicht und leider sind sie damit nicht mal allein.
Kürzlich hat Rapperin Iggy Azalea ebenfalls einen «Character Letter» geschrieben, der veröffentlicht wurde. Dabei nahm sie einen guten Freund in Schutz, der Rapperin Megan Thee Stallion erwiesenermassen angeschossen hat. Angeblich, war er sauer, dass sie ihn in einem Rap-Battle geschlagen hat. Und Iggy Azalea verteidigte diesen hirnamputierten Vollpfosten nicht nur, sie tat es auch grandios peinlich!
Sie sei «im letzten Jahrzehnt eine erfolgreiche Musikerin gewesen, die sogar Rekorde von den Beatles gebrochen habe», schrieb sie. Und dann verglich sie sich sogar mit dem Richter: «Wie Sie bin ich grossartig in dem, was ich tue, und werde von meinen Kollegen sehr respektiert.»
Als wäre das nicht schlimm genug, schrieb auch sie über den Täter: «Er war mir gegenüber immer respektvoll, und ich weigere mich, zu glauben, dass er etwas Böses tun würde. Besonders gegenüber einer Frau.» Übersetzt: Er war nett zu mir, also ist er das zu allen. Verurteilt wurde er trotzdem. Und Azalea hat sich für diesen Brunz bisher nicht entschuldigt, allerdings hört man seither auch sonst nicht mehr gross etwas von ihr.
Ganz im Gegensatz zu Nicki Minaj. Die Musikerin hatte erst diese Woche einen Auftritt an den «MTV Video Music Awards». Doch auch sie hat sich der Verteidigung von Verbrechern schuldig gemacht. Zweimal.
Ihr Bruder wurde wegen mehrfacher Vergewaltigung einer Elfjährigen verurteilt. Kurz vor dem Schuldspruch postete Nicki Minaj ein gemeinsames Foto auf Instagram und schrieb dazu: «Ich liebe dich mehr, als du jemals glauben kannst.»
Ihr Ehemann ist auch ein Prachtexemplar. Er war mehrere Jahre wegen Totschlags und versuchter Vergewaltigung im Gefängnis. Und Minaj hat ihn schon mehrmals öffentlich verteidigt: «Ich wusste nicht, dass man in unserer Gesellschaft von seiner Vergangenheit verfolgt werden muss. Ich wusste nicht, dass Menschen kein neues Kapitel aufschlagen können. Ich wusste nicht, dass eure Bösartigkeit so tiefgreifend ist.» Ach herrje!
Natürlich ist es schlimm, wenn ein geliebter Mensch, ein Freund, sich als Verbrecher herausstellt. Und Nickis Ehemann hat seine Strafe abgesessen. Aber die Tat kleinzureden oder in der Vergangenheit begraben zu wollen, ist einfach extrem daneben. Genau wie die Verteidigung, der Täter sei doch «ein netter Typ».
Auch wenn man es, wie Ashton Kutcher, vielleicht nur gut meinte. Das Traurige daran ist, dass er durch diesen riesigen Wirbel die Tragweite von Danny Mastersons Verbrechen fast in den Schatten stellt und die Opfer ihr Trauma erneut durchleben lässt. Und es macht mich stinksauer. Ich mochte Ashton Kutcher und Mila Kunis eigentlich und ich hätte nicht gedacht, dass ich mich so in ihnen täuschen kann. Sie schienen doch immer so nett.