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Cecilia Bartoli gehört zu den populärsten Opernsängerinnen. Jetzt hat sie sich mit der Star-Cellistin Sol Gabetta zusammengetan. Die Schweiz verbindet.
Cecilia Bartolis gemeinsames Album mit Cellistin Sol Gabetta heisst «Dolce Duello». Ist der Name Programm? Ach was, meint die Starsopranistin. Kämpferisch sei sie nur, wenn es um zu laute Orchester geht.
Cecilia Bartoli: Sol Gabetta und ich kennen uns schon lange. Ich liebe sie und ihre Art, Musik zu machen, und umgekehrt. Deshalb wollten wir schon seit Jahren gemeinsam auftreten, aber es ergab sich einfach keine Gelegenheit. Es ist ja nicht offensichtlich, was man als Solosopran und Solocello gemeinsam aufführen soll.
Das dachten wir zuerst auch. Dann entschieden wir uns, die Sache in die Hand zu nehmen, und beauftragten einen Musikwissenschaftler, für uns zu suchen. Er kam tatsächlich zurück mit wunderschönen Arien für Stimme und Cello von Barock-Komponisten wie Caldara oder Händel. Die mussten wir einfach aufnehmen.
(Lacht) Unser «Duello» entstammt der barocken Tradition. Bei Händel duellieren sich in der Musik öfters mal Gesang und Horn, oder auch zwei Stimmen. Das ist zwar ein Duell zweier Virtuosen, aber es ist kein Kampf, oder zumindest eine süsse Version von Kampf. Genauso bei Sol und mir: Wenn wir kämpfen, dann humoristisch, lyrisch oder sogar auf melancholische Art.
Manchmal versuche ich während des Singens herauszufinden, wer hier jetzt welche Rolle hat. Und: Höre ich überhaupt Cecilia singen oder ist das Sol, die spielt?
Es ist faszinierend, aber unsere beiden Stimmen mischen sich so schön, dass man sie wahrnimmt als ein Instrument. Das ist sehr selten. Umso erstaunlicher, dass es kaum Werke für Cello und Sopran gibt. Auch ist es eine riesige Bereicherung, mit Sol gemeinsam zu spielen. Wenn sie spielt, inspiriert mich das, und wenn ich singe, inspiriert das ihr Spiel.
In Arien ist das der Normalfall. Aber es gibt durchaus Stücke, wo Sol führt. In der Caldara-Arie «Fortuna e speranza» spielt sie die Melodien an und ich übernehme sie von ihr.
Oh ja. Händels Arie «What passion cannot music raise and quell» ist so schön, dass man tatsächlich fühlt: Gott existiert. Die Arie entführt uns in eine andere Dimension. In unserem Alltag ist es für uns Menschen lebensnotwendig, auch diese höhere Dimension zu erfahren. Dass Musik sie uns zu öffnen vermag, macht ihre Magie aus. Und ich würde behaupten, auf diesem Album gibt es einige Komponisten, die so etwas mit einem anstellen ...
Meine Karriere habe ich mit Rossini begonnen. Aber dann traf ich den Dirigenten Nikolaus Harnoncourt. Er hat mich sehr früh in den Barock eingeführt und ich fing Feuer. Ich höre also sehr gerne Barock. Aber ich mag auch Musik aus der Zeit der Romantik und Pop.
Als ich das erste Mal Adele hörte, dachte ich: «Whoops! Das ist hübsch, die hat was!» Adele hat eine spezielle Klangfarbe in der Stimme. Daneben gibts auch Klassiker wie Pink Floyd oder die Rolling Stones. Es ist unglaublich: Sie sind immer noch quicklebendig und die Leute wollen sie noch immer hören. Vielleicht wegen des speziellen Charismas auf der Bühne – das ist wie das gewisse Etwas.
... Sol Gabetta ist Argentinierin, sie ist von Grund auf ein positiver Mensch, und im Sommer ist sie zum ersten Mal Mutter geworden. Sie strahlt einfach immer. Ich denke, wir haben beide diese Luckydità in unserem Temperament. Also sagte ich beim Fotoshooting: Wenn wir schon so viel Spass haben, soll man das auch sehen dürfen.
Der Zugang ist ein anderer. Auch bei Orchestern: Die Wiener Philharmoniker klingen anders als die Berliner Philharmoniker. Was genau anders ist, ist sehr schwierig zu benennen.
Hat es mit der Kultur der Länder zu tun? Mit dem Atmen in der Musik? Harnoncourts «Concentus Musicus» ist einfach anders als das «Giardino armonico». Il Giardino sind Italiener, sie erzeugen andere Farben, andere Akzente.
Es gehört zu unserem Beruf, von jedem Musiker neu dazuzulernen. Durch dieses Lernen erneuert sich die Musik.
Deshalb habe ich auch ein neues Barockorchester gegründet: «Les musiciens du prince». Gerade in diesen Zeiten ist es wichtig, etwas Neues auf die Beine zu stellen – und es ist auch wunderschön. An den Salzburger Pfingstfestspielen feierten wir dieses Jahr mit «Ariodante» einen riesigen Erfolg, nun spielen wir Rossinis «Cenerentola» in Monaco. Die Mitglieder stammen aus Frankreich, Italien, der Schweiz und Deutschland und spielen auf Barockinstrumenten.
Ich verrate Ihnen etwas: Technik ist etwas vom Wichtigsten. Denken Sie an Roger Federer. Er spielt seit Jahrzehnten wie ein Gott. Anders gesagt: Obwohl er nicht mehr jung ist, gewinnt er noch immer. Er ist das perfekte Vorbild, nicht nur im Sport. Man darf seinen Körper niemals forcieren. Kennen Sie das Gefühl, wenn die Stimme müde ist?
Eher nach langen Flügen für ein einziges Konzert. Genügend Ruhe ist fast ebenso wichtig wie Technik. Aber Sie sprechen etwas Wichtiges an: Die Orchester werden immer grösser, immer brillanter.
Ich finde nicht. Es ist Zeit, die Bühnensituation zu überdenken. Wir müssen den Dialog zwischen Mensch und Instrument neu suchen. Und das geht am besten mit historischen Instrumenten, bei denen die Saiten der Geigen nicht aus Stahl, sondern wie einst aus Darm sind. Schliesslich können wir Sänger uns auch keine Stimmbänder aus Stahl zulegen. Wenn es um Sport ginge, würde man angesichts dieser Tatsachen von foul play sprechen.
«Dolce Duello» Cecilia Bartoli, Sol Gabetta, Andrés Gabetta, Ensemble «Cappella Gabetta». Sony.