Vor einem Bildschirm zeigen sich viele Menschen, wie sie wirklich sind: hässig. Manchmal zelebrieren wir das sogar und schauen etwas nur an, um darüber zu motzen. Aber das kann uns gewaltig in den Hintern beissen.
Klopfer, der Hase, sagte in «Bambi» mal: «Wenn man nichts Nettes zu sagen hat, soll man den Mund halten.» Das gilt nicht fürs Internet. Da wird laut rausgeschrien, wenn man etwas nicht gut findet. Weil wir gerne hassen. Oder hässelen. Ich auch. Manchmal. Und ich treibe es sogar auf die Spitze: Ich hate-watche.
«Hate-watching» bedeutet so viel wie: Etwas anschauen, nicht obwohl, sondern WEIL man es nicht mag. Einfach, um darüber zu schimpfen. Etwa so, wie Tausende Menschen, die Harry und Meghan nicht mögen und trotzdem jeden Artikel über sie lesen. Oder, wie ich, sogar darüber schreiben.
Doch wie heisst es so schön: «Karma is a bitch!» Die neue Serie «Velma» ist das beste Beispiel.
Der Spin Off der Kinderserie «Scooby-Doo» wurde von der ersten Folge an im Netz zerrissen - von allen Seiten. Auch, weil die Macher offenbar keine Ahnung haben, für wen sie die Show eigentlich machen.
«Velma» will woke sein und macht sich gleichzeitig über die #MeToo-Bewegung lustig. Sie hat nichts mehr mit der original Serie zu tun und verachtet Cartoon-Fans. Sie will clever sein und reisst gleichzeitig dumme Witze. Laut dem Forbes Magazine ist sie sogar die schlechteste Show, die aktuell läuft.
Trotzdem gingen die Einschaltquoten durch die Decke und die zweite Staffel ist bereis fix. Weil tonnenweise Hater eingeschaltet haben. Vielleicht sogar ausschliesslich. Denn ich habe absolut nichts positives über die Serie gefunden. Sie hat offenbar das Unmögliche geschafft und die Menschen vereint. Wie Weltfrieden, aber alle sind sauer. Dummerweise interessiert es die Macher aber kein bisschen, dass man aus Hass zuschaut. Ups.
STOP HATE WATCHING VELMA OR WE'LL END UP WITH 8 MORE SEASONS LIKE BIG MOUTH. pic.twitter.com/FFJHWOOmZw
— tyler but simon (no longer homeless🎉🎉) (@datboiguzma) January 13, 2023
Ja, «Hate-watching» ist bescheuert. Man könnte seine Zeit besser verschwenden. Trotzdem bin ich auch schon wegen Serien an die Decke gegangen - und konnte kaum abschalten. Zum Beispiel bei «She-Hulk». Und «Emily in Paris». An dieser Stelle eine kleine Entschuldigung an die Fans, aber ich hasse diesen Mist mit der Kraft von tausend Sonnen! Genau wie praktisch ganz Frankreich.
Emily wohnt nicht in Paris, sondern in einer fast schon pervers lächerlichen US-Fantasie von Paris. Ausserdem ist sie extrem dämlich und schläft nicht nur mit dem Freund, sondern auch noch mit dem minderjährigen Bruder ihrer besten Freundin. Und das ist nur der Inhalt der ersten Staffel. Mittlerweile gibt es drei!
Glücklicherweise fehlt mir die Zeit, die ganze Serie zu schauen. Trotzdem könnte ich mich ewig über den dümmsten Netflix-Furz in Rage schreiben. Macht mich das zu einem schlechten Menschen? Ich glaube nicht.
Es gibt diese fröhlichen Einhörner, die auf einem Nettigkeits-Regenbogen durchs Leben schweben. Andere trotten eher mit einer dunklen Wolke über dem Kopf vor sich hin. Nicht immer. Aber manchmal. Und vor allem online. Warum? Keine Ahnung, ich bin kein Psychologe.
Aber manchmal tut es gut, jegliche Höflichkeiten fallen zu lassen, ohne echte Konsequenzen befürchten zu müssen. Darum wurde ewig lange ein Dislike-Button auf Facebook gefordert. Und darum kommentieren manche einen Online-Artikel, denn sie auch einfach ignorieren könnten, mit: «Und in China ist ein Sack Reis umgefallen.» Und darum gibt es sogar Menschen, die beruflich als «online Kindergärtner» aufpassen, dass Kommentare nicht beleidigend werden.
Und genau das ist der Punkt: Motzen ist das eine, Beleidigen etwas ganz anderes. Wer «Velma» nicht mag, weil sie jetzt dunkle Haut hat und auf Frauen steht, trampelt geradewegs in den Rassismus. Aber wer über die Serie motzt, weil sie einfach nicht gut ist, dann finde ich ein bisschen Hass gerechtfertigt.
Manchmal darf man etwas einfach blöd finden dürfen. So wie Velma selbst. Und das ist herrlich ironisch: Die Macher haben Velma selbst zu einem Hater gemacht! Die ehemals «Intelligente» in der «Scooby-Doo»-Gruppe, schimpft jetzt ununterbrochen über alles und jeden und hält sich selbst für etwas Besseres.
Ich motze weiterhin gerne über Serien, die ich schlecht finde. Aber die Sache mit dem Hate-watching lasse ich zukünftig bleiben. Sonst bekommt die blöde Emily wegen mir noch eine vierte Staffel. Oder – Gott bewahre – «She-Hulk» bekommt ein Comeback!