Walter Kielholz hat einen langen Schatten: Und die Kunst der Kapitalbeschaffung treibt am Zürcher Kunsthaus bizarre Blüten. Die Gründe liegen im enormen Finanzbedarf des Museums durch den Prunkbau von David Chipperfield.
Es ist ein Erdbeben. Der Erweiterungsbau des Zürcher Kunsthauses am Heimplatz, der im Herbst eröffnet und mit dem sich das Museum an Ausstellungsfläche fast verdoppelt, soll das neue Epizentrum der Kunst werden. Kunst, die für Macht steht. Und Macht heisst Geld. Es ist das Geld, das gebraucht wird, um den Erweiterungsbau in Zukunft mit Inhalt zu füllen.
Woher es stammt? In Zeiten des öffentlichen Sparzwangs muss es beschafft werden bei privaten Geldgebern, Unternehmen und Stiftungen: Geld und Geist bedingen einander als gegensätzliche Kräfte. Unvereinbare Prinzipien sind sie lediglich in der bürgerlichen Vorstellung eines romantischen Künstlerideals, das von Applaus und guten Worten lebt.
Die private Kapitalbeschaffung, Stichwort Fundraising, wird durch die Eröffnung der Chipperfield-Ikone in Zürich jedenfalls in einem Mass dringend, wie sie bis ins 19. Jahrhundert als Mäzenatentum in der Schweiz im Schwang war.
Diese Leistung erbringen muss vornehmlich der private Verein, der das Zürcher Kunsthaus strategisch leitet und es ganz direkt auch ins Leben gerufen hat – die Zürcher Kunstgesellschaft. Doch in diesem Frühling plant ihr Präsident Walter Kielholz, ein Strippenzieher des Zürcher Wirtschaftsfreisinns, seinen Rücktritt. Gesucht wird per Ende Mai seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger.
Kielholz verlässt einen Verein mit erheblicher Tradition und Einfluss. Die Vorgängerorganisation konstituierte sich in Zürich bereits 1787 als Kreis befreundeter «Maler und Malerdilettanten». Man wurde 1799 erstmals öffentlich und organisierte die erste «helvetische» Kunstausstellung in der Schweiz.
1910 setzte derselbe Zirkel die Eröffnung des Kunsthauses um – und seitdem bestimmt man als Verein, im Beisitz von Stadt und Kanton – die relevanten Geschäfte am Heimplatz. Die Kunstgesellschaft verantwortet die Ankäufe, die Sammlungspolitik – und die Wahl des Museumsdirektors. Seit 20 Jahren ist dies Christoph Becker, und auch für ihn wird ein Nachfolger gesucht. Besser noch und der Stunde geschuldet, eine Nachfolgerin.
Als einflussreichstes Vorstandsmitglied des Zürcher Kunstgesellschaft, die diese Wahl beeinflusst, gilt Franz Albers. Er ist der Mann hinter der Entwicklung von Zürich-West und Besitzer der Firma Albers & Co, ein Familienunternehmen im Bereich hochpreisiger Immobilien. Albers, Lukas Gloor, Direktor der am Kunsthaus ansässigen Bührle-Sammlung, und Ben (Hans Peter) Weinberg, Zürcher Textilunternehmer in dritter Generation und Kunstsammler, sind das Trio, an dem es intern kein Vorbeikommen gibt.
Mit der anstehenden Neuwahl des Museumsdirektors und dem Rücktritt von Kielholz erreicht der Einfluss der Kunstgesellschaft ihren Höhepunkt. Und die Überraschung ist gross, selbst für Zürcher Insider: Um Kielholz’ Nachfolgeregelung ist ein Streit entbrannt. Die Macht, die frei wird, ist offensichtlich verführerisch.
Für die Wahl des Präsidiums – das mit der Kunstexpertin aus dem Innern des Zürcher Kunstfreisinns, Anne Keller Dubach, 64, bereits als besiegelt galt – meldete sich ein Sprengkandidat aus dem Off: Es ist der Berner Kunstanwalt Schmidt-Gabain, 39 von der Kanzlei Nobel & Hug. Er verspricht einen Generationswechsel, «frischen Wind» und hält viel von «Eventkultur». Sein Chef ist Peter Nobel, Wirtschaftsanwalt, Anwalt von Friedrich Dürrenmatt, und er sammelt gleichfalls Kunst.
Es war ein korrekter Rücktritt mit Ansage. Und doch, in der Person von Walter Kielholz zeigt sich das Doppelgesicht von Geld und Geist – und die damit verbundenen Abhängigkeiten. Kielholz war nicht nur langjähriger Präsident, er war von 2003 bis 2009 Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse und von 2009 bis April dieses Jahres Präsident des zweitgrössten Rückversicherers der Welt, der Swiss Re. Die Swiss Re sowie die CS waren in der Vergangenheit die privaten Finanzstützen des Kunsthauses und ermöglichten wichtige Ausstellungen und Ankäufe.
Die 20816 Vereinsmitglieder haben sich nun bis Ende Mai zu entscheiden: Entweder für die Urzürcherin aus den alten Familien Abegg und Bodmer, Anne Keller Dubach, die Kielholz letztes Jahr als Nachfolgerin bereits aufbaute und in den Vorstand geholt hat, oder für den Kandidaten aus Bern, Schmidt-Gabain.
Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, ist die Wahl bereits entschieden: Anne Keller Dubach wird obsiegen. Sie mag die Garantin sein, dass die CS und die Swiss Re dem Kunsthaus weiterhin gewogen bleiben. Die Kunsthistorikerin, die sich diesen Frühling frühpensionieren lässt, hat die letzten 20 Jahre das Kunst- und Kulturengagement der Swiss Re weltweit aufgebaut und verantwortet. Bereits ihr Urgrossvater, der damals als reichster Mann der Schweiz galt, war eine Säule sowohl der Swiss Re als auch der CS.
Für Keller Dubachs Rückhalt im Vorstand spricht: Die Kandidatin soll von der Stadtpräsidentin Corine Mauch, die für die Stadt im Vorstand der Kunstgesellschaft sitzt, persönlich angefragt worden sein. Für Florian Schmidt-Gabain indessen hat sich bis jetzt kein Vorstandsmitglied laut gemacht. Unterstützung erhält er von Künstlern wie Thomas Julier oder Walter Pfeiffer. Im Übrigen setzen sich seine Befürworter aus Berufskollegen, Vermögensverwalter und Unternehmer, zusammen. Der bunte Hund im Unterstützerkomitee Schmid-Gabain und Mitglied der Kunstgesellschaft ist der Zürcher Musikmanager Freddy Burger.
So liegen in Zürich wohl auch in Zukunft Geld und Geist im selben Bett. Im Namen der Kunst, versteht sich. Denn, wer weiss, vielleicht ist der alchemistische Akt des Kunstmachens mit der Kunst der Geldvermehrung sogar verwandt.