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Hollywoods Autoren wollen für bessere Bedingungen auf die Strasse. Zuschauer könnten bald in die Röhre gucken.
Als Zuschauer wähnt man sich bisweilen im Schlaraffenland, so reich ist die Auswahl an hochklassigen TV-Serien zurzeit. «Fargo», «Game of Thrones», «The Queen»... allein mit einer Auflistung aller Titel könnte man diese beiden Spalten füllen. Nun mag es also paradox klingen, dass gerade die Urheber dieser Serien momentan alles andere als zufrieden sind. Die Writers’ Guild of America (WGA), die Gewerkschaft der in Hollywood arbeitenden Drehbuchautoren, hat angedroht, auf Anfang Mai ihre Arbeit einzustellen. Sämtliche Versuche, mit der Alliance of Motion Picture and Television bessere Löhne und Vorsorgeleistungen auszuhandeln, sind bislang gescheitert.
Welche drastischen Folgen das haben könnte, lässt ein Blick zurück auf den letzten Autorenstreik in Hollywood erahnen. Als die WGA Ende 2007 für insgesamt 100 Tage auf die Strasse ging, mussten die grossen Late-Night-Shows von Jay Leno, David Letterman und Co. wochenlang Wiederholungen einspielen. Viele TV-Serien wurden verschoben oder sogar abgesetzt, und die Episodenzahl der damals populärsten Serien wie «Lost», «Dr. House» oder «How I Met Your Mother» wurden drastisch verkürzt. Auch Kinofilme waren betroffen, überliefert ist beispielsweise, dass Bond-Darsteller Daniel Craig einige seiner Dialoge in «Quantum of Solace» notgedrungen selber verfassen musste. Am Ende beklagte der US-Bundesstaat Kalifornien wirtschaftliche Einbussen in Höhe von einer Milliarde US-Dollar.
Jetzt, ein knappes Jahrzehnt später, sollen die Arbeitsbedingungen für Hollywoodautoren so schlecht wie nie sein. Die über 20 000 Mitglieder der WGA arbeiteten vergangenes Jahr an 455 Shows, was ein Rekordwert ist. Aber: Alle Autoren werden pro Episode entlöhnt. Und die durchschnittliche Anzahl Episoden einer Staffel ist von 23 vor zehn Jahren auf heute 13 geschrumpft. Und weil es den TV-Autoren verboten ist, zur gleichen Zeit für zwei verschiedene Projekte zu schreiben, sind ihre Löhne in dieser Zeit durchschnittlich um über 20 Prozent eingebrochen. Die Krux: Produktionshäuser in Hollywood sind dazu verpflichtet, für ihre Scripts ausschliesslich WGA-Mitglieder anzuheuern. Legen diese ihre Arbeit nieder, steht also die gesamte Traumfabrik still.
Welche unserer Lieblingsserien wären dieses Mal betroffen? Die neue Staffel von «Game of Thrones» ist glücklicherweise bereits im Kasten und wird ab Juli planmässig über die Bildschirme flimmern, genau wie die mit Spannung erwartete Neulancierung der Kultserie «Twin Peaks» ab Mai. Heikler sieht es bei Serien aus, die eigentlich diesen Sommer abgedreht werden sollten und deren Autoren ab Mai im Einsatz wären. Konkret: neue Staffeln von «The Big Bang Theory», «Grey’s Anatomy», «How to Get Away With Murder», «Modern Family», «Empire», «Jane the Virgin», «Supergirl», «American Horror Story» – um nur einige zu nennen. Sie könnten verkürzt, abgesetzt oder wie viele neue Kinofilme wie «Star Wars Episode IX» oder «The Avengers 4» um Monate verschoben werden.
Davon profitieren würden Streaminganbieter wie Netflix und Amazon Prime, die über einen beachtlichen Rückstau an sendebereiten neuen Serien und Filmen verfügen. «Wenn traditionelle Sender keine neuen Inhalte anbieten können, werden Zuschauer dem linearen Fernsehen erst Recht den Rücken kehren und zu Streamingdiensten wechseln», prophezeit die US-Fachzeitschrift «Variety».
Andererseits: Sollte der Autorenstreik tatsächlich zustande kommen, könnten wir endlich die vielen tollen Serien nachholen, für die wir während der letzten Jahre schlicht nie Zeit gefunden haben.