Der 26-jährige St. Galler Dario Forlin arbeitet als Barmann und Comic-Zeichner. Mit drei Freunden gibt er monatlich das Fanzine «Gaffa» heraus, eine Spielwiese für kühne Buben-Fantasien.
«Gaffa macht den Ostrand geiler!», steht auf einem Flyer, darauf ein Muskelprotz mit Ying-Yang-Zeichen in der Hand. Einmal im Monat kursiert das trashige Fanzine zu Themen wie «Bodybuilding» und «Tiere» in der St. Galler Kulturszene. Ein Fanzine ist ein Magazin, das von Fans für Fans gemacht wird. Hinter «Gaffa» stecken vier junge Männer, die ansonsten als Musiker, Lehrer und Künstler unterwegs sind: Wanja Harb, Linus Lutz, Lucian Kunz und Dario Forlin. Für «Gaffa» haben sie den St. Galler Werkbeitrag bekommen, der mit 10 000 Franken dotiert ist.
Die vier Kreativen setzen sich einmal im Monat ein Thema, wie «Dinosaurier». Dann kleben sie Collagen zusammen, fotografieren, skizzieren, fräsen Holzskulpturen. Es dürfe bewusst kindlich, unzensiert flegelhaft sein, sagt der 26-jährige Dario Forlin:
«Da gibts’ kein Richtig
und kein Falsch.»
Daraus kleben sie ein Heft, das sie in kleiner Auflage von etwa 50 Stück unters Volk bringen. Anonym – es gehe nicht ums Ego des einzelnen.
«Gaffa» erinnert in seiner Machart an das Werk des Widnauer Künstlers Beni Bischof, der schon vor Jahren ein «Lasermagazin» mit ähnlichen Sujets herausgab und heute international Erfolg hat. «Wir schätzen Benis Arbeit, aber wir wollen nicht in seine Fussstapfen treten», sagt Forlin. «Wir arbeiten anders und sind ein Kollektiv.»
«Gaffa» sei eine Kunstfigur: Ein schrulliger Onkel namens Freddy Gaffa, der auf Teneriffa ein Atelier hat und seinen vier «Neffen» in St. Gallen Beiträge schickt. «Daraus machen wir dann unser Fanzine», sagt Dario Forlin schmunzelnd. Auch er hat ein Atelier, im ehemaligen italienischen Konsulat in St. Gallen, einem Abrisshaus, in dem eine Handvoll Künstler eine vorübergehende Gratis-Bleibe gefunden haben. Neben der Tür hängt ein Plakat von Forlin: Furzende Hintern, lachende Fratzen. «Im Comic ist alles erlaubt», sagt der Künstler und grinst.
Aggressive Männchen mit erigierten Penissen, Schildkröten, Dinos, explodierende Autos und Vulkane bevölkern seine Bilder. Er selbst – gross, schlank, Wildlederstiefeletten, schwarze Locken, Brille – ist höflich und eher schüchtern. In seinen Arbeiten paart sich sein starker Sinn für Grafik mit einem kindlich-naiven Comic-Stil. Diese Handschrift findet sich auch im Fanzine. Das Tierheft ist in Kunstfell eingeschlagen. Ein Bild zeigt einen Pudel an einem Schönheitswettbewerb, mit der Aufforderung «Kill me». Auf einem anderen grasen Kühe auf einem Fussballfeld.
Die vier Schöpfer von «Gaffa» sind eng verbunden mit dem St. Galler Konzertlokal Palace. Im Untergeschoss bestücken sie monatlich eine Vitrine mit einer Installation eines externen Künstlers. Dario Forlin ist auch hinter der Palace-Bar anzutreffen, er zapft dort Bier, um als Illustrator über die Runden zu kommen.
Er ist in einer Künstlerfamilie aufgewachsen; seine Mutter ist Künstlerin im Palais Bleu in Trogen, sein Bruder Armando Modeschöpfer bei Akris. Nach der Kanti Trogen besuchte Dario Forlin den gestalterischen Vorkurs in Luzern – «Ich wollte weg aus St. Gallen». Danach studierte er Visuelle Kommunikation an der Hochschule der Künste Bern und arbeitete ein halbes Jahr in Südengland, «wo Illustration mehr Tradition hat als bei uns.» Zurück in St. Gallen, gestaltet er Plakate fürs Puppentheater «Fleisch und Pappe» und fürs Palace. Er zeichnet für «Saiten», «Woz» und «Reportagen» und ab und zu auch Prospekte für Banken.
Sein Talent blieb auch der Illustratorin Lika Nüssli nicht verborgen. «Ich habe mich gefreut, dass es noch so jemanden gibt in St.Gallen», sagt die 44-Jährige. Dario Forlin gebe sich «nicht obercool», er sei «neugierig und eigenständig». Die beiden treten zusammen im Palace auf, wo sie zu den Klängen eines DJs den Zeichenstift sausen lassen – ihre nächste Performance ist am 5. Oktober.
Obschon sich Dario Forlin etabliert hat, ist das Künstlerleben kein Honiglecken. «Natürlich lebe ich nicht in Saus und Braus», sagt er, der in einer WG wohnt. «Ich kann mir nicht jeden Tag ein Plätzli braten und nicht jeden Monat neue Schuhe kaufen.» Doch das ist es ihm wert, um tun zu können, was ihm Spass macht. Zum Beispiel, sich mit seinen Kumpels neue Geschichten über ihren Onkel ausdenken. Was Freddy Gaffa wohl als nächstes treibt in seinem Atelier auf Teneriffa? «Das soll ein Geheimnis bleiben», sagt Dario Forlin mit einem Augenzwinkern.
Zeichnungsperformance am Fr, 5.10. Palace, St. Gallen, gaffaworldwide.tumblr.com