Der französische Präsident Emmanuel Macron war laut den Pegasus-Enthüllungen ein Abhörziel Marokkos. Das macht die Sache für Paris politisch brenzlig.
Zahlreiche Pariser Politikerinnen und Politiker, aber auch Anwälte und Journalisten standen auf der Liste von Telefonbesitzern, die mit der israelischen Software Pegasus abgehört werden konnten. Darunter sind Polizeiminister Gérald Darmanin, Aussenminister Jean-Yves Le Drian oder der ehemalige Premierminister Edouard Philippe.
Sowie ein noch bekannterer Name: Emmanuel Macron. Eine Telefonnummer des französischen Staatschefs wurde möglicherweise ausspioniert. Ob sie wirklich abgehört wurde, ist nicht festzumachen, solange das Handy nicht überprüft wird.
Der Elysée-Palast dürfte dazu nicht Hand bieten, da die Enthüllung für Macron eher peinlich ist. Der Präsident hatte die Möglichkeit, nach seiner Wahl im Mai 2017 die gesicherten Softwares Teorem oder Cryptosmart zu verwenden. Letztere wird durch den französischen Geheimdienst DGSI kontrolliert; Aber sie gilt als schwer zu bedienen, auch soll sie einen relativ schlechten Empfang bieten. Macron zog es deshalb vor, einzelne Linien aus der Wahlkampfzeit weiter zu benützen.
Nicht nur peinlich, sondern auch politisch brisant ist die Enthüllung, weil die Abhörlisten laut dem Enthüllungsnetzwerk Forbidden Stories einem befreundeten Land stammen: Marokko. Unter Macron hatte sich die Beziehung zum marokkanischen König Mohammed VI. merklich abgekühlt. Für starke Spannungen sorgen die Fragen Migration und Westsahara.
Wie knifflig die Pegasus-Enthüllung ist, zeigte die Reaktion in Paris. Am Montag hatte Regierungssprecher Gabriel Attal die ersten, generellen Enthüllungen – noch ohne die Macron-Connection – als „äusserst schockierend“ bezeichnet. Am Dienstag, als der Skandal konkret und die Implikation Marokkos und Frankreichs klar wurde, reagierte das Präsidialamt plötzlich zurückhaltend. Aus dem Elysée-Palast verlautete, es sei «Vorsicht» geboten; noch sei nicht erwiesen, dass das Telefon des Präsidenten wirklich ausspioniert worden sei.
Wie weit der Lauschangriff aus Marokko nach ersten Erkenntnissen ging, zeigt sich darin, dass neben Politikern auch andere neuralgische Personen betroffen sind. Darunter ist auch ein – möglicherweise früherer – Rektor der Grossen Moschee von Paris, die vom marokkanischen Nachbarland und Widersacher Algerien kontrolliert wird. Auf der Liste standen auch die Nummern von Macrons Afrikaberater Franck Paris oder seines früheren Leibwächters Alexandre Benalla. Anvisiert waren offenbar auch bekannte Journalisten wie Edwy Plenel.
Der französische Geheimdienst scheint nach ersten Erkenntnissen nicht auf die Abhöraktion gekommen zu sein. Pariser Onlineportale führen das darauf zurück, dass sich die IT-Experten des DGSI auf Cyberattacken aus China oder Russland konzentrierten; von befreundeten Staaten erwartete er dies nicht.
Frankreichs direkt betroffener Ex-Umweltminister François de Rugy fordert die französische Regierung auf, den marokkanischen Botschafter einzubestellen. Das Elysée schweigt sich zu dieser Forderung fürs erste aus. Die marokkanische Botschaft in Paris wies die Anschuldigungen als «unbegründet» zurück.