Kommentar
Entsetzliche Hilfslosigkeit nach Flüchtlingsdrama in Italien

In Italien ist ein politischer Streit darüber entbrannt, ob das Flüchtlingsdrama vom Sonntag in Kalabrien mit mindestens 66 Toten hätte vermieden werden können.

Dominik Straub, Rom
Dominik Straub, Rom 1 Kommentar
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Es ist zu einem frustrierenden Ritual geworden: Nach schlimmen Flüchtlingsdramen wie am vergangenen Sonntag in Kalabrien ist das Entsetzen jeweils gross. Dann folgen die gegenseitigen Schuldzuweisungen, von links nach rechts und umgekehrt. Und schliesslich, unausweichlich, das grosse Vergessen und Verdrängen.

Die simple Wahrheit ist: Die Politik ist vom epochalen Phänomen der Flüchtlingsströme überfordert. Die Rechte kann zwar, wie in Italien, mit der Hetze gegen Einwanderer Wahlen gewinnen, aber die Zahl der Bootsflüchtlinge steigt dennoch sprunghaft an. Und die Linke vergisst allzu oft, dass der Aufnahmebereitschaft nicht nur psychologische Grenzen gesetzt sind, sondern mitunter auch praktische. Das erlebt Deutschland gerade mit den Millionen Ukrainerinnen und Ukrainern, die Schutz suchen: Es wird immer schwieriger, sie auf menschenwürdige Art unterzubringen.

Die einzige Möglichkeit, die globalen Fluchtbewegungen einzudämmen, bestünde darin, die Fluchtursachen zu bekämpfen. Das würde aber – wie beim Klimawandel – ein hohes Mass an Einsicht und finanziellem Einsatz bedingen. Dass dies geschieht, ist wenig wahrscheinlich. Und so werden die Opfer von Krieg und Verfolgung, von Hunger und Armut, weiterhin zu uns kommen. Vielleicht könnte sich die Politik wenigstens auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner ver­ständigen: dass die Parteien aufhören, auf dem Buckel dieser Menschen ihr politisches Süppchen zu kochen.

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Alex Schneider

Bei der Flüchtlingspolitik haben wir einen Konflikt zwischen der Makro- und der Mikrosicht. Klar sind die echten und die unechten Flüchtlinge bedauernswert. Andererseits muss die westliche Welt Druck auf die Herkunftsländer ausüben, um die Fluchtursachen (zum Beispiel Korruption) in den Griff zu bekommen, und selbst dafür sorgen, dass sie diese Ursachen nicht noch verstärken (Exporte der landwirtschaftlichen Überproduktion in die Entwicklungsländer, Waffenlieferungen, Geldwäscherei, Konzernverhalten)