Klimapolitik
Von wegen reif für den Kompost: Das Klima-Positionspapier der Basler Grünen ist erfrischend naiv

Die Grünen aus Basel-Stadt haben diese Woche vorgestellt, wie sie die Welt retten wollen. Der Sturm der Entrüstung auf sozialen Netzwerken liess nicht lange auf sich warten; so ist das in einem überhitzten Klima. Doch ist das Papier so hanebüchen, wie behauptet wird? Ja, zumindest teilweise. Aber das ist nicht schlimm.

Benjamin Rosch
Benjamin Rosch
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Auf dem Marktplatz sollen vor allem regionale Anbieter Platz finden.

Auf dem Marktplatz sollen vor allem regionale Anbieter Platz finden.

Christian Beutler/Keystone, Basel, 20. April 2016

Eine grüne Vorstossflut wird kommen und darin enthalten sind Forderungen, die zwischen fragwürdig und unrealistisch oszillieren. Die Grünen wollen auf Allmend das Werben für «besonders klimaschädliche Produkte und Dienstleistungen» verbieten. Keine Easyjet-Plakate mehr, keine Grillwürste an Litfasssäulen; vielleicht darf ein Beizer nicht mal mehr sein Cordon bleu auf dem Kreideschild anpreisen, aber das ist noch Definitionsmasse.

Widerstand gegen das Verbot sei «widersprüchlich zum Klimanotstand, den das Parlament im Frühling ausgerufen hat», liess Grossrätin Barbara Wegmann verlauten. Das war zu erwarten. Der Notstand heiligt die Mittel, machen die Grünen glaubhaft. Mit Not lässt sich alles erklären und rechtfertigen. Was tatsächlich passiert: Eine inhaltlose weil lediglich symbolische Erklärung führt zu folgelosen weil absurden Forderungen. Das ist Politleerlauf erster Güte. Dazu der Vorwurf obendrauf, die Grünen förderten eine Verbotskultur, und das Positionspapier ist reif für den Kompost.

Ein zweiter Blick lohnt sich – und einer nach Lancy

So verläuft die aktuelle Debatte, doch ist das zielführend? Mitnichten. Es lohnt sich, die grünen Ideen aus der Nähe zu betrachten. Denn insgesamt ist das Papier trotz einer Prise Naivität und viel Ideologie durchdacht, gut aufgebaut und enthält überhaupt nicht nur Vorschriften. Die Grünen begreifen die Welt als einen Organismus. Das wird besonders deutlich beim Verbot von Werbungen, die dem kränkelnden Klima zusätzlich schaden könnten. Inspiriert sind derlei Gedanken von Tabak- und Alkoholprävention. Flugreisen und CO2-intensive Fleischproduktion schade der Weltlunge, so das Motto. Das stimmt auch: 14,5 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen entsteht durchs Halten und Verarbeiten von Tieren, hat die Uno errechnet.

Wer meint, der Klimawandel liesse sich nur im Grossen bremsen, irrt. Verzichtet eine vierköpfige Familie auf ein Kilo Fleisch pro Woche, vermeidet sie jährlich 700 Kilo Co2. Die Kantons-Kantinen könnten entsprechend einen noch wesentlicheren Beitrag leisten. Die Grünen wollen diese nun zu 80 Prozent auf Bio umstellen. Eine Forderung nach nachhaltiger Ernährung in Einrichtungen der Verwaltung hat das Basler Stimmvolk im Rahmen einer Initiative vor einem Jahr abgelehnt. Die Grünen beschlossen damals: Stimmfreigabe. Dazwischen liegen ein heisser Sommer und zahlreiche Klimastreiks.

Weitere Punkte aus dem Vorstosskatalog: Basel-Stadt soll das Knospe-Label von Bio-Suisse anstreben und dazu die Familiengärten wie auch die Stadtgärtnerei einbeziehen. Die Stadt soll kommunale Gärten zur Lebensmittelproduktion anlegen. Was nach Hippie-Utopie riecht, setzt der Genfer Vorort Lancy bereits um. Die Stadt zählt etwas mehr als 30'000 Einwohner und rühmt sich die erste Schweizer Gemeinde mit Bio-Label. Lancy pflanzt nicht nur alte Rosen-Sorten, sondern erntet jährlich auch 730 Kilo Gemüse – und das ohne einen einzigen Landwirtschaftsbetrieb. Die Lebensmittel kommen der «Epicerie solidaire» zugute, einem solidarischen Lebensmittelladen. In den Parks blühen Pflanzen mit geringem Wasserbedarf und Obstbäume. Die Bevölkerung fand grossen Gefallen an diesem Projekt, inzwischen ist es auch ein Marketing-Gag.

Dagegen mutet die Vorschrift, regionale Anbieter mit biologischen Produkten auf dem Marktplatz zu bevorzugen, eher wieder klein an. Bereits jetzt gibt es dort Spargel aus Baden und Gemüse aus der Region. Weder Umsatz noch Margen der Marktfahrer dürften den Aufwand neuer Vorschriften wert sein.

Endlich. Eine Partei denkt für einmal etwas grösser

Kommunale Gärten? Anbauschlacht gegen Klimawandel! Vorschriften für Marktfahrer? Eingriff in den Marktplatz! Es ist sehr einfach, die Forderungen der Grünen ins Lächerliche zu ziehen. Damit kaschiert der Spötter inzwischen aber schlecht, dass er selber keine Ansätze hat, als auf heilsbringende technische Innovationen zu hoffen. Im ständigen Basler Klein-Klein um Parkplätze und Baustellen tut es gut, wälzt eine Partei einmal grössere Gedanken. Banal gesagt: Die Grünen machen ganz einfach ihren Job.

Vieles in diesem Positionspapier, das zudem mit konkreten Vorstössen aufwartet, sind Lenkungen. Der Anstoss, Basel-Stadt solle mit gutem Beispiel vorangehen, ist sicher nicht falsch und deutlich sympathischer, als alle Reisenden pauschal mit Flugscham einzudecken.

Zuletzt noch zur Klage, die Grünen kämpften für Verbote. Ja klar, ist man versucht zu sagen, dazu hat man sie ja gewählt. Die Grossräte bilden die Legislative, und als solche schaffen sie Gesetze. Das sind in aller Regel eher Vorschriften als zusätzliche Freiheiten.