Interview
«Wir sollten uns das Autofahren nicht vermiesen lassen»

André Steiner sagt von sich, er habe «schon ein bisschen Benzin im Blut». Das ist untertrieben: Der Geschäftsführer des Emil-Frey-Autocenters in Safenwil ist so etwas wie der Autopapst der Region. Im Interview spricht er über Trends, den Dieselskandal und selbst fahrende Autos.

Philippe Pfister
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Immer auf Draht: André Steiner am letzten Freitag auf dem Gelände der Emil Frey AG in Safenwil.

Immer auf Draht: André Steiner am letzten Freitag auf dem Gelände der Emil Frey AG in Safenwil.

Zofinger Tagblatt/Bruno Muntwyler

Herr Steiner, Autos prägen Ihr Berufsleben – welches war Ihr erstes Auto?

André Steiner: Ein VW Käfer Jahrgang 1967 mit 34 PS. Gekauft 1979 für 500 Franken. Mein Vater hatte eine eigene Karosserie- und Lackierwerkstatt. Dort frischte ich den Wagen selbst auf; ich fuhr ihn vier Jahre.

Und war das auch das liebste – oder war dies ein anderes?

Mein Austin Healey Jahrgang 1962 ist mein Lieblingsauto. Oldtimer sind eines meiner Hobbys, vor allem englische Autos. Bei diesem Auto legte ich aber nicht selbst Hand an; ich kaufte ein sehr gut restauriertes Exemplar.

Zur Person

André Steiner (Jahrgang 1961) bildete sich an der Betriebswirtschafts- und Verwaltungsfachschule Zürich zum Betriebsökonom aus und beendete später am Schweizerischen Institut für Unternehmerschulung die Weiterbildung zum eidg. dipl. Betriebswirtschafter. Er stieg früh in die Autobranche ein, war bei Nissan Schweiz und der Erb-Gruppe, bevor er vor 15 Jahren zur Emil Frey AG nach Safenwil wechselte. Dort leitet er seit 2003 als Geschäftsführer das Autocenter.

Steiner machte auch militärisch Karriere; zuletzt war er im Rang eines Oberstleutnants Mitglied im Heeresstab. Steiner war früher begeisterter Eishockeyspieler, genauso wie seine drei Söhne heute. Alle spielen Eishockey, in verschiedenen Clubs. Der älteste, Nicholas, steht seit der Saison 2014/15 beim EHC Biel in der National League als Profi unter Vertrag. Zudem ist Steiner Vater einer erwachsenen Tochter.

Die Branche hatte laut Neuzulassungsstatistik einen sehr guten Januar. Wie war Ihr Start ins 2018 punkto Verkäufen? Wird 2018 ein Rekordjahr?

Wir sind in unserem Verkaufsziel auf Kurs, so wie wir es für das erste Quartal 2018 geplant haben. Unser Geschäft ist auch saisonal geprägt. März, April und Mai sind sehr starke Monate, dann flacht das Geschäft etwas ab und zieht im September, Oktober und November wieder an. Wir werden sehen, wie das Jahr kommt.

Was sind die aktuellen Trends bei den Kunden? Welche Ausstattungen sind besonders gefragt?

Der Trend geht klar Richtung kleine SUVs, insbesondere in der 4 × 4-Ausführung, ein gutes Beispiel ist der neue Jaguar E-Pace, welcher genau in diesem Segment lanciert worden ist. Die Ausstattungen sind heute von der Serie her praktisch komplett, sodass wir nur noch eine Zunahme bei den Automatikgetrieben feststellen können.

Was heisst heute eigentlich komplette Ausstattung?

Komfort wie beispielsweise elektrische Fensterheber, Zentralverriegelung, automatische Klimaanlage, aber auch sicherheitsrelevante Systeme wie ABS und Stabilitätskontrollen. Insofern waren die Autopreise in den letzten 20 Jahren deflationär. Sie bekommen heute viel mehr Auto fürs gleiche Geld als noch vor zwei Jahrzehnten. In der Schweiz finden sie praktisch kein Auto mehr, das für die Fenster noch Handkurbeln hat.

Inzwischen gibt es ja viele Sicherheitssysteme. Welches trägt am meisten dazu bei, dass es weniger Unfälle gibt?

Für mich ist es das Navigationssystem. Früher sah man Fahrer, die Karten in den Händen hielten, das ist vorbei.

Es heisst ja, dass immer wieder gerade bestimmte Farben gut laufen. Stimmt das? Und wenn ja, welche sind es aktuell?

Dunkle Farben überwiegen nach wie vor mit ungefähr 60 Prozent Anteil, allerdings gefolgt vom Konträren – nämlich Weiss.

Ausgefallene Modefarben laufen nicht sehr gut?

Wir nehmen solche Autos nicht unbedingt an Lager. Aber es gibt immer wieder Leute, die eine ausgefallene Farbe möchten.

Stimmt es eigentlich, dass ein dunkles Auto im Sommer mehr Treibstoff braucht als ein weisses?

Das kann ich so nicht bestätigen. Klar, die Klimaanlage braucht Leistung des Motors; wenn ein Auto zwei, drei Stunden an der prallen Sonne gestanden hat, braucht es sicher entsprechend noch mehr Leistung, um den Wagen auf eine angenehme Innentemperatur zu bringen.

Vor vier Wochen hat auto-schweiz das «10/20»-Ziel zur Stärkung der alternativen Antriebe ausgegeben. Ziel ist ein 10-prozentiger Marktanteil von Elektroautos und Plug-in-Hybriden an den neuimmatrikulierten Personenwagen. Ist das ein realistisches Ziel?

Aufgrund der neuen Abgasnormen wird sich der Trend hin zum Hybrid oder rein elektrisch verstärken. Toyota ist da, seitens Technologie, seit 20 Jahren führend. Allerdings wird Jaguar mit dem soeben in Genf vorgestellten I-Pace, lieferbar ab Herbst 2018, sicherlich ein grosses Stück vom Elektrokuchen abschneiden. Der Kurs geht klar Richtung Elektrofahrzeuge; ein steigender Marktanteil bis 2021 oder 2022 ist realistisch.

Es fehlen vor allem noch Ladestationen.

Ja, das ist so, Infrastruktur ist das Hauptthema. Da müssen wir in der Schweiz noch deutliche Schritte nach vorn machen.

Wie entwickeln sich die Anteile der Verkäufe von Elektroautos und alternativen Antrieben in Safenwil?

Wie bereits erwähnt, sind wir mit Toyota schon über 20 Jahre im Hybridgeschäft etabliert und dürfen da bereits auf viel Erfahrung zurückgreifen. In der Schweiz stammen zwei Drittel aller Hybridverkäufe aus dem Hause Toyota. Jeder Hersteller wird künftig solche Antriebe auf den Markt bringen müssen, um die strengen Normen zu erreichen, die ab 2020/2021 in Kraft treten.

Wird das nicht für einige Hersteller sehr schwierig, zum Beispiel für Aston Martin?

Aston Martin gilt in der EU als Nischenhersteller und bekommt deshalb andere CO-Ziele. Die Produktionsmenge bei Aston Martin ist nicht vergleichbar mit einem Massenhersteller; sie soll auf 7500 Autos ansteigen; die Autos werden im Jahr durchschnittlich zwischen 3000 und 5000 Kilometer bewegt. Auch Aston Martin wird ab etwa 2021 ein Modell mit rein elektrischem Antrieb auf den Markt bringen, ist also auch auf diesem Kurs.

Wann wird der letzte 12-Zylinder-Motor gebaut?

Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber ja, solche Motoren werden tendenziell aussterben. Was ich persönlich schade finde – ich habe schon ein bisschen Benzin im Blut.

Würden Sie selbst ein Elektroauto fahren wollen?

Das ist jetzt aber eine Fangfrage! Ich bin begeistert von der Technologie, doch wenn Sie an mein Lieblingsauto zurückdenken, steckt da ein reiner Benziner unter der Haube.

Aber den Elektroautos gehört die Zukunft.

In die Zukunft gedacht halte ich reine Elektromobile eher für eine Übergangslösung. Ich wüsste gar nicht, woher die viele Energie kommen sollte.

Gerade rund um Tesla gab und gibt es einen regelrechten Hype. Wird da zu viel versprochen?

Tesla als Unternehmen möchte ich nicht kommentieren, doch hat der Inhaber, Elon Musk, sicher Impulse gesetzt, die der Branche die Richtung aufgezeigt hat, wohin die Reise für die vielleicht nächsten 10 Jahre geht. Doch darf man den Wasserstoff nicht unterschätzen und auch da spielt Toyota mit dem Modell Mirai eine wichtige Rolle. Der Toyota Mirai wird dieses Jahr in Europa eingeführt, was für die Zukunft wegweisend sein dürfte – Toyota war vor 20 Jahren auch der erste Hersteller, welcher Hybridantriebe zur Serienreife geführt hat.

Wasserstoff braucht Energie in der Herstellung.

Ja, aber schauen Sie zum Beispiel die gasproduzierende Branche an, dort ist Wasserstoff ein Abfallprodukt und mit Sonnenenergie könnte man, insbesondere natürlich in südlichen Ländern, in Zukunft auch Wasserstoff herstellen. Auch das Tankstellennetz wird in den kommenden Jahren ausgebaut werden. Unternehmen, die heute mit Treibstoff handeln, werden nicht aussterben wollen; sie werden die Wasserstoff-Technologie in die Tankstellen bringen.

Ein anderes Thema, bei dem Realität und Hype manchmal schwer zu unterscheiden sind, betrifft selbst fahrende Autos. Wann wird es in der Schweiz möglich sein, in Zofingen in ein Auto zu steigen und dann ohne das Lenkrad anzufassen bei Ihnen in Safenwil auszusteigen?

Wahrscheinlich wird man dann den Autopiloten erst ab der Autobahneinfahrt auf die A1 einschalten können. Die Technologie allerdings ist vorhanden und wird bei allen Herstellern getestet. Serienreife dürfte ab 2021 bei den meisten Herstellern erreicht sein. Allerdings stehen noch Infrastrukturthemen an wie übrigens auch beim Elektro- und Plug-in-Hybrid und da mahlen die Mühlen in der Schweiz bekanntlich etwas langsamer.

Gerade ist in den USA ein tödlicher Unfall mit einem selbst fahrenden Uber-Auto passiert.

Das zeigt, dass noch ein paar rechtliche Fragen zu klären sind. Wie wollen Sie eine Maschine für einen Unfall verantwortlich machen? Darum denke ich, dass in Städten komplett autonom fahrende Autos schwierig werden dürften. Auf den Autobahnen ist das ein denkbares Szenario.

Fänden Sie das selbst toll, wenn ihr Auto autonom fahren würde?

Auf der Autobahn fände ich das eine Erleichterung, ja. Da könnte man die Zeit wirklich besser nutzen. Das Verkehrsaufkommen wird ja nicht weniger werden. Wir hätten eindeutig weniger Auffahrunfälle.

Zu einem Autobahnthema mit Aktualität: Das Rechtsvorbeifahren auf Autobahnen und Autostrassen soll erlaubt werden. Was halten Sie von diesem Vorschlag?

Ich halte das persönlich für keine gute Idee. Macht der Gewohnheit und das könnte die Sicherheit auf Autobahnen gefährden. Persönlich würde ich den Ausbau der Autobahnen auf drei Spuren viel dringlicher sehen; eine Spur für den Schwerverkehr, die beiden anderen für den Personenverkehr.

Es gibt kaum Unternehmen, die von der Digitalisierung nicht betroffen sind. Welches sind die Herausforderungen eines Autoverkäufers angesichts der Digitalisierung – und wie bewältigen sie diese?

Wir werden die Digitalisierung selbstverständlich auch in alle unsere Prozesse integrieren. Insbesondere geht es bei uns aber immer um den Kunden und dort wollen wir anknüpfen. Dies beginnt vom Moment der Evaluation eines neuen Autos bis hin zum Service nach dem Verkauf. Wenn wir in diesem Prozess für den Kunden mit digitalen Touchpoints etwas erleichtern können, werden wir das tun – weil das die Kunden von uns auch erwarten.

Sie haben auch eine App fürs Smartphone.

Ja, wir bauen diese gerade aus. Ziel ist, dass Kunden künftig auch Termine übers Smartphone vereinbaren können. Das ist übrigens aktuell in der Testphase.

Die Marken, die Ihr Haus verkauft, standen ja nicht im Fokus des Diesel-Skandals. Trotzdem waren die Folgen für die ganze Branche spürbar. Wie haben Ihre Kunden darauf reagiert?

Ich will an dieser Stelle keine Marken kommentieren, doch die Affäre hatte für die gesamte Branche sicher einen schlechten Nachgeschmack. Dem gegenüber steht aber, dass wir mit der für Dieselmotoren zu erfüllenden Euro-Norm 6b, und ab September 2018 dann 6c, sehr gut aufgestellt sind. Diese Euro-Norm wird dann bis 2021 stufenweise bis zur Euro-Norm 6d ausgebaut werden. Die Branche tut also etwas!

Der Druck aus der Politik ist gross, gerade wieder durch den Entscheid aus Deutschland, dass Städte Dieselfahrverbote verhängen können.

Wir sollten uns durch die Politik das Autofahren mit Dieselmotoren nicht vermiesen lassen. Letztendlich verdient der Staat immer mit und kann sich da nicht als Wächter über die Abgase hinstellen, das wäre zu scheinheilig. Zudem und das darf ruhig auch mal gesagt werden, hat der Dieselmotor einen sehr guten Wirkungsgrad wie auch hervorragende Verbrauchs- sowie Leistungsdaten. Ich fahre geschäftlich auch ein Dieselmodell mit Euro-6-Norm und freue mich immer wieder über das gute Drehmoment wie auch den geringen Verbrauch.

Trotzdem hat Diesel nicht gerade ein gutes Image. Hamburg hat signalisiert, dass das möglich wäre.

Hamburg ist eine Hafenstadt, viele Kreuzfahrtschiffe machen da halt. Man muss sich einmal vergegenwärtigen, dass die zwölf grössten Kreuzfahrtschiffe der Welt für die Hälfte der ausgestossenen Stickoxide verantwortlich sind. Vielleicht müsste man einmal dort ansetzen. Immer sind die Automobilisten und die Autos im Visier, alles andere wird gern ausgeblendet.

Ist der Diesel-Skandal in Köpfen heute noch ein Thema, und wenn ja, wie macht sich das bemerkbar?

Die Kunden sind verunsichert, doch Diesel-Motoren sind nicht schlecht, sie werden oft schlechtgeredet. Die Presse schreibt ja immer wieder darüber, und das darf sie auch, doch nicht alle Berichterstattungen sind seriös recherchiert, was man als Medienkonsument doch erwarten dürfte, oder?

Da habe Sie natürlich recht. Die Marken, die Sie vertreten, sind auch nicht im Fokus gestanden.

Richtig. Praktisch alle Marken, die wir vertreiben, sind mit Euro-6-Motoren ausgerüstet.

Sie haben einen schweizweit bekannten obersten Chef – Walter Frey. Wie erleben Sie ihn in der Zusammenarbeit?

Ich bin sehr stolz für die Emil Frey AG, ein patronal geführtes Familienunternehmen, arbeiten zu dürfen. Jedes Unternehmen ist immer vom obersten Chef geprägt und da wir in den letzten 94 Jahren erst zwei Chefs erlebt haben, gelten bei uns noch Werte, die andernorts leider langsam in Vergessenheit geraten sind.

Andere erleben in zwei Jahren vier Chefs.

Wir haben eine Konstanz im Unternehmen und gehen nicht alle paar Monate in eine andere Richtung. Nachhaltigkeit und Langfristigkeit steht im Vordergrund. Wir haben einen Kundenbrief aus dem Jahre 1935, dort hat Emil Frey seinen Kunden ein Versprechen abgegeben, welches auch über 80 Jahre später immer noch Gültigkeit hat.