Jetzt gibt es kein Zurück mehr: Der Spatenstich für die erste Etappe des Jahrhundertbaus Limmattalbahn ist gestern erfolgt. Um den historischen Moment gebührend zu feiern, nahm sogar Verkehrsministerin Doris Leuthard den Weg von Bern nach Schlieren auf sich. Daneben war viel regionale und kantonale Politprominenz aufgekreuzt, um dabei zu sein, wenn aus der rund 15 Jahre lang gehegten Idee und sechs Jahren Planung Realität wird.
Der grosse Moment wurde dann auch mit entsprechend grossen Worten gewürdigt. Von einem «Vorzeigeprojekt» sprach Leuthard, von einem «Generationenprojekt» die Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh, von einem «geschichtsträchtigen Tag» die Urdorfer Gemeindepräsidentin Sandra Rottensteiner. Doch nebst viel Feierlichkeit und ein wenig Pathos ging nicht vergessen, dass der Baustart der Limmattalbahn längst nicht für alle ein Jubeltag ist. Doris Leuthard erwähnte das explizit in ihrer Rede. Das ist durchaus richtig:
Denn eine Mehrheit von 54 Prozent der Stimmenden im Bezirk Dietikon sagte Nein zur Limmattalbahn. Sie finden die Bahn unnötig, zu teuer, zu gefährlich. Sie machen sich Sorgen, dass die Bahn mehr Verkehr und mehr Menschen ins Limmattal bringt. Für die älteren Semester mag sie auch einfach generell das Symbol einer Urbanisierung sein, die ihnen Angst macht. Denn Schlieren oder Dietikon sind für sie noch immer Dörfer. Und wenn erst einmal ein Tram durch das Dorf fährt, ist das Dorf definitiv Stadt geworden.
Diese Ängste muss man durchaus ernst nehmen. Es gilt, weiterhin mit den Kritikern der Bahn im Dialog zu bleiben, sie mit einzubeziehen. Trotzdem darf die Bahn nicht von ihrem Weg abgebracht werden. Das wäre fatal. Seit gestern befindet sich die erste Etappe im Bau, sie wird nicht mehr infrage gestellt. Würde die zweite Etappe noch gestoppt, wie das die Gegner mit der Initiative «Stoppt die Limmattalbahn – ab Schlieren» wollen, wäre das ganze Projekt für die Katz.
Denn die Limmattalbahn ist viel mehr als ein Tram: Sie ist ein überkantonales Verkehrsprojekt, ein komplexes Konstrukt, das längst nicht nur den Bezirk einbezieht. Ein Projekt, das ein neues Buskonzept und ein neues – sich bereits im Bau befindliches – Strassenkonzept mit sich bringt, breitere Brücken, ausgebaute Kreuzungen, veränderte Verkehrsführungen. Ein Projekt, das Pendlerströme aus dem Limmattal, aber auch aus der Stadt und dem Kanton Zürich und dem Aargau neu organisiert. Ein Projekt, das über den Bezirk hinaus nützt, aber vor allem die Region selber vor einem Verkehrskollaps bewahren soll.
Denn die Dynamik, die sich in den letzten Jahren im Limmattal entwickelt hat, lässt sich nicht mehr aufhalten. Arbeitsplätze, neue Gebäude, neue Bewohner: All das ist in der Stadt Zürich nur noch begrenzt möglich, weshalb alles in deren natürliche Verlängerung drängt: das Limmattal. Das geschieht, ob die Limmattalbahn da ist oder nicht. Der Unterschied: Mit der Bahn kann die Region in den nächsten Jahrzehnten das Wachstum besser organisieren. Ohne Bahn wären die Menschen trotzdem da – aber sie sässen in den S-Bahnen und würden in ihren Autos zum Stau auf unseren Strassen beitragen.
Wird nur die Hälfte des Projekts realisiert, funktioniert das Ganze nicht. Und das wäre dann tatsächlich eine gigantische Geldverschwendung: Hunderte von Millionen auszugeben für ein nur halb fertig gebautes Projekt, das seine Wirkung nicht entfalten kann. Zumal es gut möglich ist, dass die erneute Volksabstimmung über die zweite Etappe der Bahn erst ein halbes Jahr nach deren Baustart erfolgt, womit wir mit bereits aufgerissenen Strassen und begonnenen Bauwerken zurückgelassen würden.
Trotzdem: Das Limmattal wolle die Bahn einfach nicht. Dieses Argument hört man seit der Abstimmung im November 2015 häufig. Doch Vorsicht: Das Limmattal sind nicht nur die gut 11 000 Personen, welche die Bahn damals ablehnten. Im ganzen Bezirk leben knapp 90 000 Personen. Von ihnen sind gut 16 000 unter 18 Jahre alt. Und obwohl ihre Stimme politisch noch nicht zählt, sollten sie nicht vergessen gehen. Denn sie sind es, die in den nächsten Jahrzehnten unterwegs sein werden. Für sie ganz besonders wird das Zukunftsprojekt Limmattalbahn gebaut.
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